Donnerstag, 30. Juli 2009


Wenn stimmt, was die Macherinnen und Macher der Suchmaschine forestle.org versprechen, dann lässt sich das eigene Gewissen noch ein wenig mehr beruhigen. Jedes Suchen, jeder Klick ein Treffer. Nicht nur Finden, Klären, Wissen und Sortieren, sondern auch gleichzeitig die Welt ein „klein bißchen besser“ machen. Geht das? Anschauen, ausprobieren.

Sonntag, 26. Juli 2009


„Verschiedene Gruppen können in einem Quartier nebeneinander wohnen, ohne miteinander zu kommunizieren, ja fast ohne sich gegenseitig wahrzunehmen. Die wechselseitige Gleichgültigkeit ist geradezu ein Merkmal des urbanen Lebensstils in heterogenen Umwelten, aus dem die Freiheit zum Anderssein und damit auch ein Freiraum für Fremde entsteht …“ *
Vorschuß, ja. Lorbeer, muß man mal abwarten. Nach der Eröffnung des Büros ist erst einmal Ruhe eingekehrt im Quartiersteam Donaustraße-Nord. Immerhin, Geist, Geruch und Gestus des Quartiers wurden bei ersten Gehversuchen in Augenschein genommen, gedeutet und vermessen und die eigene Aufgabe mit dem nötigen Ernst und der Bedeutungsschwere, die eine Alimentierung für „Bürgerinnen-Ertüchtigung“ rechtfertigt, beschrieben. Die Bilanz: Zuwenig Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche, zuviel Dreck und Hundescheiße, fehlende Begegnungsstätten für Erwachsene, keine Grün- und Freiflächen. Aber, ein Lichtblick zumindest, kaum Ladenleerstand. Donnerwetter, entfährt es den Einheimischen. Da wird ja mal richtig hingeguckt! Welch schwere Last unsere neuen Helferinnen und Helfer sich da aufgebürdet haben, macht Thomas Helfen, Geschäftsführer des zuständigen Trägers ASUM GmbH, im Wochenblatt „Die Berliner Woche/Neukölln-Nord“ vom 22.07.2009 deutlich: „Die sehr vielfältige und differenzierte Nachbarschaft in diesem Kiez ist keine homogene Gruppe.“ Wow!? Das ist einer dieser Sätze, die einem ein Leben lang anhaften. Ja, ja und noch einmal ja. Da, wo Vielfalt und Differenz vorhanden sind und gelebt werden, ist das „Homogene“ fern. Wie sollte es anders sein. Die Frage, ob das gut ist oder nicht, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Wie geht’s weiter? Helfen will helfen. Seine - sorgenvolle - Schlussfolgerung: „Es wird daher schwer sein, die einzelnen Gruppen in die Stadtteilentwicklung einzubeziehen.“ Warum? Spricht Vielfalt gegen Engagement? Ist Differenz etwas Schlechtes? Ist Kommunikation in Anerkennung unterschiedlicher Lebensformen nicht möglich? Lassen sich „homogene Gruppen“, so es sie denn überhaupt gibt, „besser“ bewegen? Muß mehr Geld her, um erfolgreich zu sein? Ist nicht die vielbeschworene „Mischung“, sofern sich nicht nur Armut mischt, Ziel einer Quartiersentwicklung? Verheddert im Viereck von PR-Arbeit, Erwartungen der Zuwendungsgeber, routinierter Aufgabenerfüllung und den rethorischen Versatzstücken einer „bevormundend-fürsorglichen“ Gemeinwesenarbeit, bleibt Helfen Helfer. Im September lädt das QM-Team zu einer Auftaktveranstaltung ein. Reinhängen, ansprechen, nutzen, Flausen austreiben, initiativ werden.

* Hartmut Häußermann, Ihre Parallelgesellschaften, unser Problem, in: Leviathan, 4/2007, S. 466, Wiesbaden 2007

Samstag, 25. Juli 2009


Rührig nennt man Personen, die mit viel Idealismus, hartnäckig, zuweilen mitleidig belächelt, gegen viele Widerstände und ohne das nötige Geld „Herzensangelegenheiten“ voranbringen. Zu diesen zählt Lutz Manthe. Seit Jahrzehnten baut er, Stein für Stein, an Berlin’s Rockarchiv. Die Krönung (s)eines Lebenswerkes, ein Rock’n’Roll Museum in den märkischen Sand zu setzen, erleben wir hoffentlich noch. Zeit wird’s. Lange hatte das Archiv am Erkelenzdamm eine Heimat, jetzt ist es in Britz zu finden. Das hat einen guten Grund. In Liverpool spülte der Hafen musikalische Einflüsse in die Stadt, die mit den Beatles schließlich das Feuer entfachten, das der Rock’n’Roll-Epoche den nötigen Schub gab. Das „quirlige Neukölln“ bot in den 50’er und 60’ern mit seiner Mischung aus Nachkriegstristesse, Industrie, Flughafen, Kneipenkultur, Milieu und Besatzer-Musik, den Berliner Treibsatz, der Rock’n’Roll zum Leben brachte. Immer mal wieder, so auch jetzt, sucht Lutz Manthe „Beatzeugen“, die ihm zukommen lassen, was in der Geschichte der Rockmusik einen Platz haben sollte. Insbesondere zur Leipziger Beat-Demo 1965 sucht er Material und Zeitzeugen. Also rauf auf die Dachböden, runter in die Keller, Fotos und Plakate, olle Platten, Eintrittskarten, eigenes Musikgeschirr, Bandgeschichten und sonstig Abwegiges sichten und rüberreichen. Was beide Städte übrigens noch verbindet: Der Humor und die Lebensfreude der Liverpooler ist sprichwörtlich. Da kann Neukölln locker mithalten. Berlin sicher nicht!

Donnerstag, 23. Juli 2009

Ohnesorg


Im Theater ist Theater. Das war schon bei Ohnesorg so. Mit und ohne die langlebige Heidi Kabel. Der, der’s auch kann, ist René Pollesch. "Ein Chor irrt sich gewaltig", heißt das gute Stück. Das Bühnenbild - ein blümchenbedruckter Vorhang vor leerem Raum - stimmt und stimmt auf’s Stüberl ein. Verzogen hat’s die Möbel, wie die Ehe. Es poltert, es raunzt, es flunkert und schmanzt, es trällert, philosophiert, lästert und barmt. Wer da nun wen spielt, verkörpert oder inszeniert, in Choresstärke und Gleichklang als Liebhaber angesprochen oder Wohlklingendes zum Besten gibt, ist nicht immer gleich und leicht zu durchschauen. Um Liebe geht’s, um Kapitalismus, Grundeinkommen, Moral, Kritik und Kunst. Was das eine mit dem anderen zu tun hat? Na, die Sprache ist’s. Reden kann man schließlich über alles. Wirkmächtig wird man damit nicht. Alles kreist. Noch der beste Gedanke, das intimste Gefühl, sind, erst einmal zum öffentlichen Diskurs gestanzt, Teil einer beredten Sprachlosigkeit. Herrschaft und anderen Zumutungen ist mit politischer und emotionaler Aufladung in „leerem Gewande“ nicht beizukommen. Stellvertretung, auch in Choresstärke, geht gar nicht mehr. Wissen konnten wir das vorher. Macht aber nichts. Das Ganze wird - im Prater - so hinreißend und kurzweilig gespielt, dass man, gleichwohl vorgeführt, herzhaft lachend den eigenen, geschniegelten Denkfalten beim Runzeln zuschauen kann. Hingehen.

Montag, 20. Juli 2009

Innere Intelligenz


Die Foto-Kryptik kennt Gegenständlichkeit, aber sucht sie nicht. Darin ist sie der abstrakten Malerei verwandt. Diese „holt“ Sehgewohnheiten „aus der Routine“, erzeugt Interferenzen von Bildfläche und Bildgegenstand, experimentiert mit Farben und Formen, löst Gegenständlichkeit auf und macht die Betrachterin zur „Bildproduzentin“. Arnold Gehlen, Philosoph und Anthropologe, ist der Frage nachgegangen, was die abstrakte Malerei „eigentlich tut“ und wie sie „wirkt“. Er sieht ihren „Verdienst“ darin, dass sie Wahrnehmungsmechanismen anregt, die nicht „optisch-begrifflich“ operieren.
„Da das abstrakte Bild zugleich mit dem Gegenstand das Wiedererkennen abtrug, erscheint es als ‚irrational‘, und es entsteht die Frage, wohin die in unserer Anschauung beigegebene Begrifflichkeit abgewandert ist (...). So ist weiter zu fragen, in welchen Schichten der Seele die Bildwirkung eigentlich angreift – das sind diejenigen, welche unterhalb des Wiedererkennens liegen, also die gestaltpsychologischen (...), die Bereiche der unmittelbaren inneroptischen Reflexion und die den Zentren der Wortbildung naheliegenden (...). Es gibt, wie der Psychologie längst bekannt ist, eine unmittelbare und nicht ausgefaltete Rationalität des Auges selbst, mit der und an der diese Kunst experimentiert.“ *
Sie macht, so Gehlen, Prozesse des Sehens sichtbar, die die 'innere Intelligenz' der Wahrnehmungsleistung offenbart. Gemeint sind damit all die Prozesse des Sehens, die in der alltäglichen Wahrnehmung ignoriert werden müssen, damit Handeln möglich wird.


* Arnold Gehlen, Zeit-Bilder, Zur Soziologie und Ästhetik der modernen Malerei, Frankfurt/M. 1986, S.16

Sonntag, 12. Juli 2009

Limits of Control



Strittig ist immer 'mal wieder die Frage, ob Abbildungen - Fotografien wie Filme - „dienen“ müssen. Folgen wir der Foto-Kryptik, lautet die Antwort nein. Weder in ästhetischer noch in dramaturgischer Hinsicht besteht eine Verpflichtung zu Genauigkeit oder linearem Erzählfluß. Es muß nichts gezeigt, es muß nichts beschrieben, es muß nichts bedeutet, es muß nichts erzählt, es muß nichts „getreu“ abgelichtet werden. Ausgeschlossen ist das alles, das eine wie das andere, natürlich nicht. Die Haltung macht’s. Nehmen wir die Sicht einer Betrachterin ein, dann „macht“ sie - in der Bandbreite zwischen „Empfänglich-Sein“, Goutieren oder „Verstehen“ - eine ästhetische Erfahrung oder ignoriert die „Anregung“. Konsequent lautet daher das Motto des neuen Films von Jim Jarmusch: „Nutze Deine Phantasie“. Jarmusch bewegt sich im klassischen „Korsett“ des Thrillers, inszeniert - loopartig - die immer gleichen Handlungsabläufe an wechselnden Orten und „stellt“ Dialoge „aus“, die um Kunst, Musik, Wissenschaft, Architektur und das Kino kreisen. Zitat, Traum, real Erlebtes, bloße Imagination: Nichts ist, was es scheint, nichts scheint, was es war und was war, muß nicht wahr gewesen, geschweige denn, geschehen sein. Im ununterbrochenen Fluß an medienvermittelten Bildern, Informationen, Kommunikationen und Ereignissen stoßen ästhetische Wahrnehmung und Erfahrung zwangsläufig an „Limits of Control“. Kein Film im „eigentlichen“ Sinne. Eine großartige Reflektion über Wahrnehmung, Leben und Kunst, Geschichten und Bilder, Text und Bewegung: Nicht eins, aber doch so ineinander verwoben, das Unterscheidbarkeit zuweilen schwierig, Differenz mehr geahnt als gewußt wird und beides in der Erinnerung zu verschwimmen „droht“. Wer sich darauf einlassen kann, kommt erfüllt und entspannt aus dem Kino. Ausprobieren.

Nach langem Schlaf wieder erwacht ist die „Luise“. Die Web-Wündertüte mit vielen, vielen Informationen über Berlins Werden, Wachsen und Wuchern. Ein bißchen schmucklos, aber funktional. So wissen wir nun wieder, dass die Donaustraße, wenn auch nicht der gesamte Straßenverlauf und zunächst noch unter anderem Namen, bereits 116 Jahre auf dem Buckel hat. Wer kramt und sucht, wird auf dem Portal des "Luisenstädtischen Bildungsverein" fündig. Fündig wird auch, wer morgen ab 17.oo Uhr in der Donaustraße 7 den frisch renovierten Laden betritt. Das Team des Quartiersmanagement "Donaustraße-Nord" lädt zur Eröffnung des "Büros". Was es hier zu finden gibt, muß jede selbst herausfinden, fragen oder fordern.

Sonntag, 5. Juli 2009

Kopflose und Bügel hatten die Hauptlast zu tragen: Shirts, Mützen, Kleider, Röcke, Hemden, Schals, Sticker und anderes. Alle anderen konnten ganz entspannt, bei angenehmen Temperaturen, Neuköllns Mode erlaufen, bestaunen, anprobieren und kaufen. Wer's verpasst hat, hat die nächste Chance am 02.08.2009.

Samstag, 4. Juli 2009

Coverkunst


Covergestaltung, eine im Aussterben begriffene Kunst, hat über Jahrzehnte die Bild-Ästhetik geprägt. Der Film- und Fernsehästhetik, selbst der Werbeästhetik, immer um etliche Schritte voraus, entwickelte insbesondere Storm Thorgerson „Bilderwelten“, die, wie er selbst seine Intention beschreibt, „aus dem Tritt bringen“. „Ich schaffe gern Bilder, die unwahrscheinlich und unglaublich sind, so dass der Betrachter an dem zweifelt, was er sieht.“ * Anders als die Foto-Kryptik setzt Thorgerson auf Handlung, Gegenständlichkeit, Personen und erkennbare Raum- und Zeitbezüge. Klassische Fotografie, hoher Aufwand, "echtes" analoges Handwerk gepaart mit überschießender Phantasie. Seine Bilder lösen die Gegenstände aus den hergebrachten Kontexten, platzieren Objekte dort, wo sie niemand erwartet, konstruieren absurde Situationen, bringen Personen ins Bild, die nicht "zueinander passen" und unterlaufen eingeschliffene Sinnbezüge und Sehgewohnheiten. Ganze Generationen von Covergestaltern, Grapfikdesignern und Fotografen hat seine Firma Hipgnosis geprägt. Aus den Plattenschränken der mittleren und älteren Jahrgänge ist er nicht wegzudenken. Wer jemals Pink Floyd gehört hat, wird die zugehörigen Plattencover immer „mithören“. Im November 2008 erschien die Werkschau "Taken by Storm".

* Rolling Stone, Heft175, S.85, Mai 2009

Kopfstein


Dem 'Grund' auf dem wir stehen und gehen, bringen wir wenig Aufmerksamkeit entgegen. Wir nutzen ihn. Zum Thema wird er, wenn Teile herausgegraben oder durch nassen Blütenstaub und Blätterreste zur Rutschbahn geworden sind. Empörte Menschen setzen 'ihn' zuweilen ein, um eigenen Argumenten eine größere Durchschlagskraft zu verleihen. Die Donaustraße ist in weiten Teilen - Fahrbahn wie Fußgängerwege - mit Kopfsteinpflaster belegt. Das verleiht ihr - insbesondere bei Regen, Dämmerung und angeschalteten Straßenlaternen - einen Glanz, der an Zeiten der Stadtgründung erinnert. Gute Gründe sprechen dafür, dass die Pflastersteine „in Tat und Wahrheit wie kein anderes Symbol stellvertretend für politische Kultur in allen Städten (stehen)“.