Sonntag, 26. Juli 2009


„Verschiedene Gruppen können in einem Quartier nebeneinander wohnen, ohne miteinander zu kommunizieren, ja fast ohne sich gegenseitig wahrzunehmen. Die wechselseitige Gleichgültigkeit ist geradezu ein Merkmal des urbanen Lebensstils in heterogenen Umwelten, aus dem die Freiheit zum Anderssein und damit auch ein Freiraum für Fremde entsteht …“ *
Vorschuß, ja. Lorbeer, muß man mal abwarten. Nach der Eröffnung des Büros ist erst einmal Ruhe eingekehrt im Quartiersteam Donaustraße-Nord. Immerhin, Geist, Geruch und Gestus des Quartiers wurden bei ersten Gehversuchen in Augenschein genommen, gedeutet und vermessen und die eigene Aufgabe mit dem nötigen Ernst und der Bedeutungsschwere, die eine Alimentierung für „Bürgerinnen-Ertüchtigung“ rechtfertigt, beschrieben. Die Bilanz: Zuwenig Freizeiteinrichtungen für Kinder und Jugendliche, zuviel Dreck und Hundescheiße, fehlende Begegnungsstätten für Erwachsene, keine Grün- und Freiflächen. Aber, ein Lichtblick zumindest, kaum Ladenleerstand. Donnerwetter, entfährt es den Einheimischen. Da wird ja mal richtig hingeguckt! Welch schwere Last unsere neuen Helferinnen und Helfer sich da aufgebürdet haben, macht Thomas Helfen, Geschäftsführer des zuständigen Trägers ASUM GmbH, im Wochenblatt „Die Berliner Woche/Neukölln-Nord“ vom 22.07.2009 deutlich: „Die sehr vielfältige und differenzierte Nachbarschaft in diesem Kiez ist keine homogene Gruppe.“ Wow!? Das ist einer dieser Sätze, die einem ein Leben lang anhaften. Ja, ja und noch einmal ja. Da, wo Vielfalt und Differenz vorhanden sind und gelebt werden, ist das „Homogene“ fern. Wie sollte es anders sein. Die Frage, ob das gut ist oder nicht, ist damit natürlich noch nicht beantwortet. Wie geht’s weiter? Helfen will helfen. Seine - sorgenvolle - Schlussfolgerung: „Es wird daher schwer sein, die einzelnen Gruppen in die Stadtteilentwicklung einzubeziehen.“ Warum? Spricht Vielfalt gegen Engagement? Ist Differenz etwas Schlechtes? Ist Kommunikation in Anerkennung unterschiedlicher Lebensformen nicht möglich? Lassen sich „homogene Gruppen“, so es sie denn überhaupt gibt, „besser“ bewegen? Muß mehr Geld her, um erfolgreich zu sein? Ist nicht die vielbeschworene „Mischung“, sofern sich nicht nur Armut mischt, Ziel einer Quartiersentwicklung? Verheddert im Viereck von PR-Arbeit, Erwartungen der Zuwendungsgeber, routinierter Aufgabenerfüllung und den rethorischen Versatzstücken einer „bevormundend-fürsorglichen“ Gemeinwesenarbeit, bleibt Helfen Helfer. Im September lädt das QM-Team zu einer Auftaktveranstaltung ein. Reinhängen, ansprechen, nutzen, Flausen austreiben, initiativ werden.

* Hartmut Häußermann, Ihre Parallelgesellschaften, unser Problem, in: Leviathan, 4/2007, S. 466, Wiesbaden 2007

2 Kommentare:

  1. Sehr schön auf den Punkt gebracht.

    Und was für das QM Donaustraße-Nord gilt, gilt auch für das QM Ganghoferstraße :)

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  2. Ahoi Christoph!

    Du hast den engagierten Bürger vergessen, der ja in diversen Gremien am Ruder steht und entscheiden kann, wohin Geld und die Idenn fließen.

    Ich bin gespannt, wer das sein wird. Denn Bürgerengagement ist ja per se noch kein Qualitätsmerkmal. Zumal, und das meine Erfahung, dass Bildungsbürgertum den Ton an gibt und der große Rest der Bewohner ward dann nicht gesehn bzw. man bemüht sich nicht mal mehr ansatzweise um ihn.

    Nun, bei Euch ist alles frisch und dann mal vorwärts.

    Herzliche Grüße

    Herbert

    Is eben son 'ne Sache mit der Demokratie.

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