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Silent Spring


Hingegangen, eingekehrt und etwas mitgenommen. Nicht das, was zu erwarten war. Ein Name fiel ab, Rachel Carson. Der war mir bisher unbekannt. "Silent Spring", so der Titel der Ausstellung in der "Galerie im Körnerpark". "Silent Spring", so auch der Titel eines Buches, das im September 1962 erschien. Gelobt wird es, ich kenne es nicht, als eines der einflussreichsten Bücher des 20. Jahrhunderts, das der Umweltbewegung Auftrieb gab, ja, sie eigentlich erst begründete. Folge ich den Hinweisen im Internet, beschäftigt sich Rachel Carson in ihrem Buch mit den folgenschweren Auswirkungen des Pestizidgebrauchs auf die Umwelt in ihrem Heimatland USA. Heftige politische Debatten waren die Folge, DDT-Verbote wurden nach und nach weltweit durchgesetzt.

60 Jahre weiter stehen wir wo?

Die an der Ausstellung beteiligten Künstler:innen, so der begleitende Text, „untersuchen die Ambivalenz, (die) das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umgebung“ kennzeichnet: Veränderung, Aneignung und Zerstörung auf der einen, die Erfahrung von Angewiesenheit auf Natur und Erleben der eigenen Endlichkeit auf der anderen Seite.

Ist es das, was ich sehe? In der bildlichen wie 'figürlichen' Darstellung sind es Formen - fallend, gewellt, schraffiert, gekantet, ineinander verschoben, ungeordnet, aufgetürmt, geknittert - in Anlehnung an das, was die Natur in unendlicher Vielfalt zu bieten hat. In's Bild gesetzt finden sich überlappende Räume, ineinanderlaufende Perspektiven und geschichtete, farbintensive Bildfragmente, die die 'Traglast', die wir der Natur aufbürden, erahnen lassen. Schön wirken sie, wenn, so frei darf ja in der Kunst (an)geschaut werden, die 'Bildlast' als Traumsequenz - ohne jede Absicht - durchgehen darf.

Wer dann Platz nimmt und sich den bewegten Bildern widmet, ist wieder ganz bei der Sache. Die Videos tasten tierische Welten und Landschaften geduldig ab. Lange genug, um sich dabei von Formen, Tönen, Flugrhythmen und Choreographien einfangen zu lassen. Etwas wird fehlen, kommen diese natürlichen Räume unter die Räder ausufernder
Zivilisation und Ressourcenausschöpfung, wie der seines Inneren entblößte Baum uns deutlich machen will, dessen Rinde von der Decke hängt und sich sacht bewegt, ziehen Besucher:innen daran vorbei.

Der Euphrat steht, wie Betty Böhm zeigt, sinnbildlich für das ungelöste Problem: Gestaut und gebändigt, eine Lebensader der Natur wie der technischen Zivilisation gleichermaßen, deren Strombedarf am Atatürk-Staudamm gewonnen wird. Erosion, Versalzung und Pestizidbelastung der Böden sind die unbeabsichtigte, die Kontrolle der Wassermengen, die die Anrainerstaaten erreichen, die strategisch wohl nicht gänzlich unliebsame Folge. Ein Anlass für künftige Kriege, wenn Wasserknappheit die Versorgung der Bevölkerungen gefährdet.

Daten sammeln, Erkennen, Bewerten, Diskutieren und Entscheiden mögen der Politik und den Wissenschaften vorbehalten beiben. Sinnlich empfinden, körperlich erfahren und der Natur ablauschen und nachbilden, ist der aufklärende, vor Augen führende und hörbare Beitrag der Künste und ihrer Objekte. Zu entkommen ist der Ambivalenz damit allerdings nicht. Unverstellt sind Natur, menschliche Welt wie Umwelt nicht zu haben. Durch Arbeit, Begriffsbildung und Kunstsinn mussten sie schon immer durch. Letzterer, so wollen wir glauben, richtet die geringsten Schäden an. Und schafft, so hoffen wir, Zeit und Raum für Besinnung, um dem (Un)Ausweichlichen tatkräftig zu begegnen. „Glücklich ist,“, so heißt es in einer Untertitelung, „der das Wasser auf seiner Seite hat...“. Wohl wahr. Darin sind und bleiben Mensch und Baum ununterscheidbar.

Wer sich anregen lassen möchte, hat noch bis zum 08.06.2022 Zeit.


 

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