Kriege enden. Mal früher, mal später. Das Ende schafft Lagen. Sichtlagen. Gewinne und Verluste lassen sich meist erst nach Jahren bilanzieren. Der Blick aber wird schlagartig klarer. Begründungen für das voraufgegangene Geschehen und Deutungen des Verlaufs müssen sich vor dem Ergebnis rechtfertigen (lassen). Der "Glaube", eine kriegerische Intervention sei der Befreiung der Bevölkerung dienlich (gewesen), hätte sich, sofern dies auf eine relevante Resonanz gestoßen wäre, im Verlauf weniger Monate "beweisen" müssen. Was 20 Jahre währt und in andauernder „Unkenntnis der vorherrschenden sozialen, kulturellen und politischen Gegebenheiten“ organisiert wurde, darf nicht darauf hoffen, mit Sinn nachversorgt zu werden. Es bedarf allergrößter propagandistischer Anstrengungen, den zigtausendfachen "Verzehr" von Menschenleben, zumeist Zivilisten, sowie die Zerstörung von Land und Städten, wenn nicht gutzuheißen, so doch im Namen einer höheren Moral rechtfertigen zu können. So titelte die TAZ unlängst "Die Rückkehr der Taliban". Es hätte, bei einem unvoreingenommenen Blick, "die Heimkehr der Taliban" heißen müssen. Sie wohnen dort, die Taliban, den Paschtunen, der größten ethnischen Bevölkerungsgruppe in Afghanistan, angehörig. Das ist der TAZ, wie so vielen Kommentatorinnen, entgangen. Man muss ihr Wirken und ihre Ideologie nicht teilen, um anzuerkennen, dass sie mit allem Recht darauf bestehen, an den Geschicken und der Gestaltung ihres Landes beteiligt zu sein. Dass sie um die Notwendigkeit einer Anbindung an die internationale Gemeinschaft (mittlerweile) wissen, haben sie unmittelbar nach Kriegsende deutlich signalisiert. Ihre Aufforderung an die (ehemaligen) Kriegsgegner, nunmehr Diplomatie, Kommunikation und Verhandlungen als weniger verlustreiche, um nicht zu sagen zivilisiertere Formen des "Miteinander-Umgehens" walten zu lassen, beschämt den um eine Niederlage reicher gewordenen "Werte - Westen" ein weiteres Mal. Sie stellt die selbsternannten Befreier als das aus, was sie immer waren: Besatzer, mit eigenen Interessen und eigener Agenda. Wer den Feierlichkeiten in New York anläßlich des Anschlages vom 11.09.2001 folgte, wird die Ergriffenheit, den Ernst des Anliegens angesichts der vielen Toten und des nachfolgenden Leids verstehen bzw. teilen (können). Das fehlende Gefühl und die nicht vorhandene Aufmerksamkeit dafür, dass es an der Zeit wäre, auch der Toten zu gedenken, die in Afghanistan ihr Leben gelassen haben bzw. getötet wurden, verschließt allerdings den Weg für eine dauerhafte Friedensstiftung. Die afghanische Bevölkerung, selbst die damals herrschende afghanische Regierung, das war von Anbeginn an unstrittig, hatte mit den Anschlägen von New York nichts zu tun. Was, so ist zu hoffen, den Taliban an politischer Umsicht zugewachsen ist, lassen die politischen Entscheidungsträger in den USA - und in ihrem Gefolge die der beteiligten Nato-Staaten - vermissen: Einsichts- und Lernfähigkeit.
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