Samstag, 26. Dezember 2009

Neuköllner Öfen


Früher - bis weit in die 80’er hinein - waren wir Berlinerinnen und Berliner im Nebenberuf Heizer. Gute 7 Stunden wöchentlich nahm in Anspruch, was heute mit einem Dreh am Heizungsventil erledigt ist. Je nach Konstitution und Kraft wurden 1 bis 4 10-Kilopacken Brikett vom Köhlenhändler oder aus dem Keller nach oben gewuchtet. Jedes zusätzliche Stockwerk eine Qual. Glücklich, wer nicht im 4. wohnte oder gar einen Aufzug besaß. Die Philosophie des Heizens mit Kachelofen war im Winterhalbjahr selbstverständlicher Teil des Kneipengesprächs, des Nachbarschaftsplausches und der Nachbarschaftshilfe. Heute undenkbar und aus der privaten wie öffentlichen Kommunikation so gut wie verschwunden. Schlecht ziehende Kaminzüge, die beste Art, mit Papier und Holz die Glut zu entfachen, das Einstellen der Zugluft, der Zeitpunkt des Schließens der Lüftungsklappen, Durchheizen und alte Glut für’s Wiederentfachen nutzen, die Anzahl der Briketts, die der Ofen am Tag benötigt, um wohlige Wärme zu verbreiten: alles Fragen, die bewegten. Ständige Begleiter von November bis März waren der leicht schmierige Rußfilm, der sich über alles in der Stadt legte, der permanente Geruch nach Hausbrand und der häufige Nebel bzw. Smog. Die dichtbevölkerten Innenstadtquartiere waren - wie in vielen anderen Dingen - Spitze bei den Emissionswerten. Ein gutes allerdings hatte diese Zeit: den pfleglichen Umgang mit Sperrmüll. Alles was nur entfernt nach Holz aussah, landete nicht auf der Straße, sondern zunächst - kleingehackt und gestapelt - im Keller und später im Ofen.

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