In unprätentiöser Haltung, auf aufgeräumter Bühne, bei sparsamen Licht und transparenten Sound machte Stevie Winwood das, was er am besten kann: Musik. Mit Gleichgestimmten. Mal an der Orgel, mal an der Gitarre, immer bei gutem Gesang. Wie überhaupt die Stimme nach wie vor zum Besten gehört, was man im Rock’ & Soul seit Jahrzehnten hören kann. Zwei Percussionisten gaben auch den alten, rocklastigen Songs einen federnden, mal funky, mal Latin-angehauchten Drive. Das erinnert an gutgelaunte und hochprofessionelle Kammerensembles, die ihren Spaß beim Changieren zwischen Komposition und Improvisation entwickeln. Spielerisch und leichtfüßig. Vielfach ergänzt und getragen von dem wunderbaren Sound von Winwood’s Hammond mit Leslie – Box, die ordentlich wimmert, jault, flächig und flirrend strahlt oder percussiv treibt. Zeitlos.
Eine Hammond nutzt auch Dave Greenslade, der leider sein Vibraphon zuhause gelassen hatte. Damit klingelte er früher, mit schwebend wabernden Tönen, so schön und unverwechselbar die Stücke ein. Ansonsten alles beim alten im übervollen Kesselhaus. Colosseum stemmen immer noch einen Sound in die Halle, den keine andere Band hinbekommt. Insbesondere dann, wenn Gitarre, Hammond und Saxophon, gespielt von Barbara Thompson - die Einzige, die nicht zur Originalbesetzung gehört und den verstorbenen Dick Heckstell-Smith ersetzt - flächig zusammenlaufen. Was nicht so häufig passiert, da das Abbiegen, Auseinanderlaufen, das Umspielen, bevor es wieder in’s gemeinsame Songkorsett zurückgeht, Spielphilosophie und Songaufbau ausmachen. Die Stimme runder, voller und besser als je zuvor, gibt Chris Farlowe den Stücken, was sie an Gesang brauchen. Motor und Kern bilden John Hiseman und Mark Clarke, die mal feinnervig, rhythmisch vertrackt, mal ernergiegeladen und geradeaus der Musik die Richtung weisen und den Laden zusammenhalten. Colosseum können getrost als die Erfinder „konzertanter“ Rockmusik, mit Wurzeln im Blues und vielen Jazzanleihen, bezeichnet werden. Das beherrschen sie auch heute noch meisterhaft. Ganz entspannt, wuchtig, ekstatisch immer dann, wenn Barbara Thompson ihre unkonventionellen Soli spielt. Wir gehen nach Hause in der Gewissheit, dass Altern auch seine guten Seiten haben kann.
John Hiatt ist eine Welt für sich. Seit 35 Jahren veröffentlicht er Platte um Platte, seine Songs werden von vielen Kolleginnen und Kollegen gecovert. Mal jagt ihn der Blues, mal kracht und rockt es gewaltig, mal kleidet er seine Botschaften in Folk und Country. Zuhause ist er in allen Stilen und seine Songs, darunter viele echte Perlen, fühlen sich in jedem Gewand wohl. Berlin ließ er aus. Aber in Oslo schaute er vorbei und bespielte das kleine, aber feine Rockefeller, das Erinnerungen an das alte Berliner Quartier Latin weckt. Hiatt, gut gelaunt und häufig im Gespräch mit dem Publikum, ließ sich Zeit beim Noten-Einfädeln, spielte Themen warm und schälte nach und nach im Zusammenspiel mit seinem kongenialen Gitarristen seine Songs aus Rohmasse und Rhythmen heraus. Schleifen, polieren und glänzen lassen. Musik im Werkstattmodus. Nichts ist so fertig, als das es nicht noch neue Seiten zu entdecken gäbe. Das funktioniert. Sichtbare Spielfreude auch hier und hervorragend aufeinander eingestellte Musiker, die bei aller Routine Spöksken miteinander auf der Bühne treiben, sich mit dem ein oder anderen musikalischen Einfall gegenseitig überraschen. Es gibt keine bessere Art, den tristen November einzuläuten und aufzuhellen!
Wer die Couch nicht verlassen möchte, besorge sich - in etlichen Läden für Billiggeld erhältlich - den Mitschnitt des Konzerts von Stevie Winwood und Eric Clapton aus dem Madison Square Garden. Berührend und umwerfend gut. Trägt über den Winter!
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