Montag, 3. Oktober 2011

Biotop


Ein (un)trügliches Zeichen für soziale Veränderung im Kiez ist der Zuzug eines Bio-Supermarktes. So geschehen an der Weichselstraße, Ecke Sonnenallee. Nun ist das kein Grund zur Sorge, da hier die Mischung noch stimmt und gegen Vielfalt nichts einzuwenden ist. Allerdings sind in den letzten zwei Jahren die Mieten im Quartier bei Neuvermietungen erheblich gestiegen, der Druck auf Altmieter wächst und die Nähe zum Tempelhofer Feld wertet Neukölln-Nord insgesamt auf. Auch das könnte man noch als gutes Zeichen für einen Aufwärtstrend werten. Neu Hinzuziehende, ein Zuwachs an Einkommen, höhere Umsätze des ortsansässigen Einzelhandels, mehr Arbeitsplätze, neue Läden usw. Aber Bio-Supermärkte sind mitnichten sozial orientierte Unternehmen, mit ordentlichen Löhnen und gutem Betriebsklima. Den Kundinnen bieten sie gegen Aufpreis einen Ablasshandel, ihren Mitarbeiterinnen gegenüber treten sie (häufig) nicht anders auf als die großen Supermarktketten. Gingen in den Ursprungstagen der Bioläden Selbstverwaltung, achtsamer Umgang mit natürlichen Ressourcen, Orientierung an althergebrachten Produktionsformen und regionaler Erzeugung und der - vielleicht ja naive - Gedanke, Teil einer sozialen Bewegung zu sein, Hand in Hand, so herrschen heute betriebswirtschaftliches Denken und Arbeitgebermentalität. „Es muß sich halt rechnen“. Für wen, warum und mit welchen Folgen, bliebt auch hier zumeist unbeantwortet. Was uns das sagt? Die Frage, wie wir miteinander leben wollen, was gut und recht ist, entscheidet sich nicht an der Ladentheke.

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