Freitag, 16. Oktober 2009

Bloglike


Mit den Bloggerinnen und Bloggern ist es wie mit guten Nachbarn. Mit der Zeit lernt man sie kennen, gewöhnt sich an sie und freut sich, immer mal wieder was Neues zu hören. Bleiben sie allzu lange weg, fängt man an, sich Sorgen zu machen. Die einen - die Rixdorfer Stadtschreiber - helfen aus mit dem Neuesten aus dem Kiez, die anderen - so wie Jette- mit Beobachtungen, Selbstgestricktem und Merkzetteln aus und für das Leben, um wenigstens zwei beispielhaft zu nennen. Andere teilen die eine oder andere Leidenschaft und sind - wie der Sonic Blog - wahre "Trüffelschweine" im Aufspüren neuer und anregender Fotostrecken. Wieder andere halten die Tür zu bunten Szenen - Streetart Blog - weit auf und helfen der Neugier auf die Beine. Wer sich für abwegiges, wie etwa auskommentiertes Zahlenwerk - Querschüsse - zur Lage der Weltwirtschaft interessiert, wird ebenso fündig, wie andere, die mit Witz und Weitblick geschriebenen Wirtschaftsjournalismus - weißgarnix - suchen, um die Orientierung in unübersichtlichen Zeiten zu behalten. Auf den Punkt gebracht: Mit ein bisschen (Zeit)Disziplin sind Blogs schlicht eine Bereicherung.

Donnerstag, 15. Oktober 2009


Still-Leben (3 - 10)

Mittwoch, 14. Oktober 2009


Ich bin artig. Ich folge der Empfehlung. „Style Spion“ rät, heute schon die für den 16.10.2009 terminierte Aktion mit dem Titel “Ein ♥ für Blogs” zu bewerben. Worum geht’s. „Am kommenden Freitag, den 16.10.09, veröffentlichen alle, die darauf Lust haben, einen Beitrag mit dem Titel ‚Ein ♥ für Blogs’ in dem sie ihre lesenswerten deutschsprachigen Blogs vorstellen. Das darf dann auch mal über den eigenen Blogtellerrand hinausgehen.“ Tja, wer füttert, der sagt, wo der Rand ist, oder? Egal. Wer's kann, der tut es.
Still-Leben (2 - 10)

Dienstag, 13. Oktober 2009

Still - Leben


Alles ist in Bewegung. Mensch, Tier, Pflanzen, Dinge. Nichts ist ausgenommen. Ruhe gibt es nur in Relation zu Bewegung. Wer schläft, wächst oder ist bereits im Verfall begriffen. Selbst auf dem Friedhof ist nicht zu bekommen, was die Inschriften vieler Grabsteine versprechen: Ewige Ruhe. Vielmehr: Zerfall, Vermischung, Übergang in organische Materie. Irgendetwas bleibt schließlich, wenn auch in anderer Form. Daraus ziehen Religionen ihre Trost- und Heilsversprechen. Die Illusion von Ruhe entsteht aus den unterschiedlichen Geschwindigkeiten, in denen Bewegung vorkommt. Im Vergleich zum Laufen ist das Sitzen eine ruhige Angelegenheit. Wir sind, mit anderen Worten, zu(r) Bewegung verdammt. Der Erdrotation kann niemand und nichts entgehen. Was uns bleibt ist, die Geschwindigkeit zu drosseln. Viele kluge Leute haben sich daher mit der Frage befasst, welche Geschwindigkeit dem Menschen angemessen ist. Eisenbahnfahren und Fliegen haben - wie wir wissen - mehrfach potenziert, was der menschlichen Physis möglich ist. Was hat das alles mit der Fotografie zu tun. Sie ist von allen Medien dasjenige, das glaubhaft die Illusion von Ruhe erzeugen kann. Das Bild, die Fotografie ist per se Stillstand. Ein Augenblick, eine Person, eine Situation, eine Landschaft ist fixiert. Der Geschwindigkeit enthoben, aus Ursprungsraum und Zeit „herausgenommen“. In der Hand der Betrachterin ist das Bild das einzige, das im Augenblick der Betrachtung nicht vergeht. Für das Material, den Bildträger - zumeist Papier unterschiedlicher Qualität - gilt dies nicht. Es strebt dem eigenen Verfall unaufhaltsam zu. Ob das nun 10, 50 oder 2000 Jahre dauert. Dasselbe gilt für die Betrachterin, nur das die Zeitläufe erheblich kürzer ausfallen. Versuchen wir es also mal mit einer neuen Fotoreihe. Die Fotokryptik gilt gemeinhin als ausgesprochen ungegenständlich, wenn nicht sperrig. Nun könnte es aber sein, dass Gegenständlichkeit und Kryptik sich in „Ruhe“, „Stille“, zeitlicher wie räumlicher Entrücktheit treffen. Um nicht zu sagen, ununterscheidbar werden. Still-Leben (1-10).

Samstag, 10. Oktober 2009

Weserrakete


Gut, dass die Nachbarinnen aufpassen. Sonst wär’s an mir vorbeigegangen. Die Rakete zündet heute abend, die Weserstraße hoch wie runter. Aufgereiht wie am Schnürchen. Es gibt ordentlich was auf die Ohren, in’s Gemüt und für’s Tanzbein. Donaustraße und Weichselstraße sind mit dem Valentin Stüberl und dem Broschek dabei. Schlendern gehen und sich suchen, was gefällt!

H.sagt


Seit langer Zeit ging sie mir aus dem Weg. Vielleicht war es auch nur Zufall. Ich treffe H., die die letzten Sonnenstunden des Jahres nutzt. Im Dilemma. Sie sitzt draußen. Der Lärm der Reuterstraße, die hier auf die Donaustraße trifft, ist heute erträglich. Ich setze mich zu ihr. Sie nickt kurz, zustimmend hoffe ich, nimmt den Blick aus der Zeitung und hebt an: Ja, sagt sie, ja. Das sagt sie immer. Es gefällt dir, oder? Ich bin erstaunt und frage nach: Ja was denn? Die Krise, sagt sie, ein einziges Mediengewitter, ein Gespenst. Nö, so hab ich’s nicht gesehen. Es kommt, sagt sie, gewaltig. Geld im Überfluß, Arbeitslosigkeit, Hunger, Spekulation und das ganze TamTam. Dann hebt sie an: Ressourcen sind knapp. Man muß sie sparsam einsetzen. Und immer da und dann, wenn sie gebraucht werden und den größtmöglichen Nutzen versprechen. Wut kann niemand als Dauerzustand aggregieren und auf Knopfdruck ablassen. Politische Vernunft gibt es nur scheibchenweise. Wen es anfällt, der kämpft und hat nach kurzer Zeit soviel Gegenwind, dass er alle Vernunft fahren lässt, nur um nicht ständig im Wind zu stehen. Das einzige, was nicht knapp ist, ist Geld. In Hülle und Fülle vorhanden. Nur nicht da, wo es gebraucht wird. Geld ist das Gegenteil von knapp. Dennoch bestimmt das Knappheitstheorem die Welt der Ökonomen. Erstaunlich, sagt sie. Ich stimme ihr zu. Versuchen wir es, sagt sie, mal andersherum. Arbeit ist das, was die Welt zusammen hält. Schon immer übrigens. Ich nicke. Sie ist vorhanden. In Hülle und Fülle. Nicht knapp, sondern der Reichtum dieser Welt. Arbeit, sie wird ernst, liegt brach, wo Eigentumstitel Arbeit und Arbeitsgegenstand bzw. Arbeitsmittel voneinander trennen. Die Trennung kann soweit gehen, dass „lebendes Arbeitsvermögen“ - Menschen mithin - in unmittelbarer Nachbarschaft von bearbeitbaren „Mitteln“, fruchtbarem Grund und Boden, der zur Produktion von Lebensmitteln genutzt werden könnte, „sehend“ sterben. Was fehlt ihnen? Weder das Vermögen, die Motivation noch der Wille. Es fehlt ihnen die Macht. Anders formuliert, die Durchsetzungsfähigkeit. Eigentumstitel sind „eingefrorene Machtverhältnisse“. „Beherrschbar“ in der einen wie der anderen Richtung. Dies hat, sie wirkt erregt und angespannt, mit Fragen von Markt oder Plan nicht das geringste zu tun. Technisierung und Ersatz von Arbeit mag ein Problem sein. Weltweit gesehen, ist immer noch das Gegenteil der Fall. Ohne Arbeit geht nix, Geld selbst hilft niemandem. Also, sagt sie, wie kommen Arbeit und Geld zusammen. Heute leider gar nicht mehr. Nicht mehr „richtig“ jedenfalls. Arbeit, so die unter Rot-Grün, unter Rot-Schwarz und auch Schwarz-Gelb favorisierte Ideologie lautet: Arbeitskosten - Löhne und Auskommen - drücken, drücken, drücken. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter werden dabei seit 2 Jahrzehnten missbraucht, um flächendeckend Niedriglöhne durchzusetzen. Verteilung, sie wirkt entschieden, beginnt nicht beim Produkt, sondern bei der „angemessenen“ Berücksichtigung der beim „Erwirtschaften“ beteiligten „Faktoren“. Nennen wir es ruhig „Preis“. „Preis der Arbeit“ zum Beispiel. „Preis“ auf erbrachte „Leistung“. Warum ist der Herr Sinn, vom Steuerzahler alimentiert und außerhalb jeder Wertschöpfung stehend, seinen „Preis“ wert. Warum liegt die Fabrikarbeiterin, Teil der Wertschöpfungskette, so viel niedriger im „Preis“. Der Wurm liegt - oder? fragt sie mich - in der „Werthaltigkeit“ von Arbeit begraben. Ich nicke, um den Gesprächsfluss nicht zu unterbrechen. Wer aber hält, sagt sie, etwas „für wert“ oder „nicht wert“. Angebot und Nachfrage heißt die eine Antwort. Die andere Antwort lautet in der Regel, qualifizierte Arbeit ist teuer, gering qualifizierte Arbeit gibt’s billig oder umsonst. Was ist das eine, was das andere. Wie stelle ich fest, was „qualifizierte“ Arbeit ist. Gemessen am Aufwand der - im übrigen - gesellschaftlich finanzierten Erzeugung von Qualifikationen oder am „Gewinn“, den die Gesellschaft von verschiedenen Arbeiten und Dienstleistungen hat? Das Reinigen und Neuverlegen von städtischer Kanalisation kann bisweilen hilfreicher sein als das Gutachten eines Ökonomen zur Frage der Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik. Direkt gefragt: Was bringt uns dazu, das eine gut, das andere schlecht zu entlohnen? Wenn du - und jetzt guckt sie mich eindringlich an - eine Antwort weißt, die Macht, Interessen, Kultur, Tradition und gesellschaftliche Übereinkünfte herausrechnen kann und einen „objektiven“ Maßstab zu benennen weiß, dann bitte ich dich, ihn zu benennen. Ich bin ratlos. Nicht Verteilungsgerechtigkeit, hebt sie wieder an, ist unser Problem. Die Verteilungsdebatte ist pure Ideologie. Die intelligente Verknüpfung von Arbeitsvermögen, Erfahrung, Eigentum und Geld wird uns weiterhelfen. Mit Markt kann man problemlos leben, wo die Regeln gemeinsam geklärt sind. Heißt - sagt sie mit Nachdruck - natürlich auch: Demokratie, hohe Steuern auf Eigentum und Vermögen. Heißt: Miteinander leben wollen. Ich bin kitschig, sagt sie. Das kannte ich noch nicht von ihr. In der Anderen, und sei sie mir noch so fern und anstrengend, eine von meines gleichen zu sehen. Ein Mensch. Ganz schlicht. So was mögen ja zur Zeit nicht mal mehr die Sozialdemokraten, von den anderen Parteien ganz zu schweigen, sagt sie. Ich gucke in’s Glas und schweige ein bisschen betreten. Ein Sozialdemokrat, das fiel mir ein, hatte gerade - wir kennen dies aus den Jahren 1933 - 1945 - von „ökonomisch nutzlosen“ Menschen gesprochen. Rauch stieg auf. H. hatte sich eine Zigarette angezündet.

Mittwoch, 7. Oktober 2009

Neuköllner Vertretung


„Und sehen wir uns nicht in dieser Welt, dann sehen wir uns in Bielefeld!“, reimte vor Jahrzehnten Udo Lindenberg. Das zumindest hat sie uns erspart. Wir sehen uns in Berlin. Sie wird uns vertreten. Eine Bielefelderin. CDU-Mitglied. Sie tritt an im Bundestag, um Neukölln eine Stimme zu geben. Ob das hilft, wird schwer auszumachen sein. Vorkommen werden wir Nord-Neuköllnerinnen und Nord-Neuköllner im Bundestag gewiß nicht. Ist das jetzt schlimm? Der letzte mit Mandat und Auftrag in den Bundestag gesandte, direkt gewählte Abgeordnete - Dietmar Staffelt von der SPD - hat früh seine eigenen Interessen entdeckt und sich als Lobbyist der Rüstungsindustrie betätigt. Der Lohn ist eingefahren, der gute Mann versorgt, die Probleme Neuköllns sind die gleichen geblieben. Bevor das ganze zu sehr nach Korruption roch, hat er die Seiten gewechselt und vorzeitig sein Mandat abgegeben. „Geschmeidig“ nennt man das heute wohl. Schlimmer kann es also kaum kommen. Die Meßlatte für politischen Anstand liegt so niedrig, das Frau Vogelsang Mühe haben wird, darunter durch zu kommen. Was Udo Lindenberg damals empfahl, sei noch nachgereicht:
„Und so flog ich los Millionen Meilen
bis ich schließlich zur Venus kam
und da nahmen mich die Orgienengel
lüstern in den Arm:
Und hier bei uns in dieser Welt
ist es geiler als in Bielefeld!“