Donnerstag, 16. April 2009

Elfentanz


Auch wenn es der Intention des Regisseurs zuwiderlaufen sollte, sei es gesagt: hier darf man Kind sein, staunen, sich verzaubern lassen, Nacht- und Fabelwesen auf amourösen Wegen folgen und ihren Umtrieben nachsinnen. 1609 erschien "Shakespeare's Sonnets". Ein Gedichtband mit 154 Sonetten, von denen Robert Wilson 25 als Vorlage für seine Inszenierung im Berliner Ensemble auswählte. Eine Vorlage, die nicht einengt, die keine Bühnentradition bedienen muß. Eine Vorlage, die nach Herzenslust ausgekostet und inszeniert sein darf. Ein Tanz für alle Sinne, der Verstand im Ruhemodus. Das vor allem wird gefordert: sich einlassen, empfänglich sein, wirken lassen. Der Themenvielfalt - Schönheit, Liebe, Eifersucht, Unsterblichkeit, Altern - rückt Wilson mit allem was das Theater zu bieten hat zu Leibe. Licht, Choreographie, Ausstattung und Requisite laufen regelrecht „heiß“ im „Bilder-Schöpfen“ von Traumsentenzen, Seelenlandschaften, Liebesgeflirr, Jahrmarkt, Tanz und Gesang. Da fehlt nichts. Donnergrollen reißt allzu „liebliches Getändel“ hin und wieder aus dem Trott und erinnert an die Kehrseiten des Lebens: Vergänglichkeit. Die Neigung, festzuhalten, was flüchtig ist, mag im Traum noch funktionieren. Im Leben straft Natur den Leib - und die Liebe. Auch die aus Konventionen entlassene. Dass bisweilen die Sprachverständlichkeit an der Spiellust leidet, tut dem Spaß keinen Abbruch. Ganz in den Dienst der Sache gestellt, bleibt die Musik von Rufus Wainwright zumeist unaufdringlich. „Historistisch“, wo es die Vorlage anbietet, „modernistisch“, wo Sinnenchaos und Verwirrung begleitet werden wollen, „populär“, wo - ja, warum eigentlich? „Rockbrett“ und „Hip Hop Groove“, die Wainwright ab und an rausholt, können nicht wirklich überzeugen. Sie reißen eher raus aus dem Bilderfluß. Ein Zugeständnis ans Publikum? Der Ehrgeiz, alle Register zu ziehen? Wer weiß. Gegen Ende geht der Inszenierung die Luft aus. Die Bilder wirken weniger zwingend, die Choreographie läuft „leer“ und wirkt „nur“ noch schön. Zuhause würde man dies klaglos und hocherfreut begrüßen. Eine „traumhafte“ Inszenierung führte sanft und umstandslos in Schlaf und eigene Traumwelten über. Mit der einen oder anderen Elfe, dem einen oder anderen Gnom ließe sich’s gut weiterspielen. Davor aber steht der Gang hinaus in die Berliner Nacht. Ein harter Schnitt. Anschauen, genießen, aber - und vor allem: die Sonetten lesen!

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