Freitag, 3. April 2009
Der neue Sozialstrukturatlas, basierend auf den statistischen Daten des Jahres 2006, liegt vor. Änderungen gegenüber 2003/2004: alles in allem keine, sofern man auf Neukölln, hier auf das Quartier Donaustraße schaut. Der im Rahmen des kleinteiliger angelegten Monitoring Soziale Stadtentwicklung entstandene „Häußermann / Förste Bericht“, den kleinen „Aufschwung“ aus den Jahren 2007/2008 noch im Rücken, zeigte den Trend bereits deutlich an: Verfestigung von Arbeitslosigkeit trotz geringfügigen Rückgangs, „stabiler“ Transferbezug, zunehmende Armut, mangelhafte Bildungsabschlüsse, Wanderungsverluste. Der neue - alle 4 Jahre aufgelegte - Sozialstrukturatlas differenziert und erhebt Daten mittlerweile auf der Grundlage von 447 Planungsräumen (PLR; vergleichbare Ebene: 338 Verkehrszellen), 134 Bezirksregionen (BZR; vergleichbare Ebene: 195 Statistische Gebiete) und 60 Prognoseräumen (PRG; vergleichbare Ebene: 60 Mittelbereiche). Die Umstellung der Datenerhebung auf „Lebensweltlich orientierte Räume“ (LOR) geht zurück auf die Senatsentscheidung, die Politik zukünftig an den Bedarfen verwaltungsübergreifend festgelegter Sozialräume auszurichten. Das Monitoring Soziale Stadtentwicklung, für die zeitnahe Beobachtung der Entwicklung der einzelnen Verkehrszellen / Quartiere gedacht, erfolgt zur Zeit Jahr für Jahr. Die Schlussfolgerungen aus dem oben genannten Bericht sehen insbesondere quartiersübergreifende Integrationsstrategien für Gebiete mit hoher Problemdichte vor sowie Investitionen in die „Verbesserung der Bildungschancen für Kinder und Jugendliche“ in den betroffenen Quartieren. Was in der gerade erst beginnenden Wirtschaftskrise davon wirklich bleibt, muß man abwarten. Zum Skandalisieren taugen die Zahlen des Sozialstrukturatlas allemal, für die politische Diskussion sind sie unerlässlich. Nun muß man eine Stadt bzw. einen Bezirk nicht gleich abschreiben, wie dies - mit unterschiedlichem Zungenschlag - Neuköllns Bürgermeister Heinz Buschkowsky und Thilo Sarrazin, Berlins Finanzsenator, machen. Ersterer kann zumindest noch das eine oder andere Projekt vorweisen, dass die gröbsten Auswüchse im Bezirk angeht. Letzterer war und bleibt ein entschiedener Kämpfer für eine kurzsichtige und über die Jahre zum Verfall der öffentlichen Infrastruktur führenden Sparpolitik. Es gehört zu den sprichwörtlichen Treppenwitzen, dass das jüngst im Abgeordnetenhaus verabschiedete Konjunkturpaket II Sarrazin zwingt, wenigstens die notdürftigsten Investitionen auf den Weg zu bringen, die in den letzten zwei Jahrzehnten in den Bereichen Soziales, Bildung und Gesundheit vernachlässigt wurden. Beide teilen im Übrigen den in der Sozialdemokratie durchgängig zu beobachtenden Hang, sich die „Unterschichten“ vom Halse zu halten. Menschenverachtung und Zynismus sind zu Sarrazins Markenzeichen geworden, Buschkowsky beläßt es zumeist beim "Backen-Aufblasen". Der Glaube, Wirtschaft und Finanzindustrie zahlen die vielen Steuergeschenke und die systematisch betriebene "Entwertung" von Arbeit in Form von Arbeitsplätzen zurück, ist grandios gescheitert. Der Charme der Idee, den Staat arm und das oberste 10’tel der Gesellschaft reich zu machen, mehr als verblasst. „Politik“ wird sich wieder an den Gedanken gewöhnen müssen, Steuern bei denen einzutreiben, die das Geld besitzen, Investitionen dort zu tätigen, wo sie im Sinne des Gemeinwesens benötigt werden und Arbeit so zu bezahlen, das damit ein "auskömmliches" Leben geführt werden kann. Dazu fehlt allenthalben der Mut. Helfen wird nur Bewegung und Druck.
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Ahoi Christoph!
AntwortenLöschenDein Beitrag ist schlüssig und anschaulich dargestellt. Nur, wie sieht der Druck und die Bewegung aus. Weche konkreten Vorschläge sind ein Anfang, jenseits der üblichen Sprüche ... die Jungend und die Bildung, da muß investiert werden.
Welche Jugendlichen und welche Bildung ist denn gemeint?
Wo muss in einigen Bereichen der quartiersbezogenen Arbeit ein Paradigemenwechsel stattfinden?
Dazu am Dienstag mehr.
Schönes Wochenende
herb