Samstag, 28. November 2009

Einsamkeit


Einsamkeit. Ein Gefühl, das alle kennen. Lebensbegleitend. Gesucht, gefürchtet, erbauend, niederdrückend. Teil jeder Poesie. Teil jedes Alptraums. Ein altes Kinderbuch - Paul allein auf der Welt - gab mir für dieses Gefühl ein Bild. Was passiert im Buch. Paul wacht morgens auf und findet sich allein auf der Welt vor. Keine Eltern und Geschwister, keine Menschen auf der Straße, alles liegt ruhig und ungenutzt vor ihm. Paul greift die Gelegenheit beim Schopf, um all die Dinge zu tun, die er sonst nicht tun darf oder kann. Das Führen einer Straßenbahn etwa oder die „Selbstbedienung“ in Geschäft und Bank. Ersteres endet mit einem Unfall, letzteres hinterlässt, da niemand die „Beute“ mit ihm teilt, ein schales Gefühl. Der im ersten Moment beglückende Zustand des unverstellten Zugriffs auf alles Wünschbare zerrinnt angesichts des Gefühls, den Dingen nur in Gemeinschaft etwas abgewinnen zu können. Der Genuß - paradox - liegt im Teilen, so schmerzhaft das sein kann. Was hat das mit der Fotokryptik zu tun? Ohne Wort oder Bild, ist (1) kein Gefühl „da“. Die Codierung (2) bedient sich der Mittel und des Materials, das - kulturell und sozial gefiltert - Verbreitung gefunden hat. Das Gefühl ist mithin alles, außer (3) ursprünglich. Seine Kraft, seinen Reichtum bezieht es (4) aus der im Prinzip nicht begrenzten „Form- und Farbenfülle“, in denen es sich „kundtun“ kann. Zwei Wege öffnen sich an dieser Stelle. Die Codierung der Gefühle (1) wird, etwa der Verkäuflichkeit halber, normiert, katalogmäßig produziert und vertrieben. Das schafft Sicherheit und sorgt für Wiedererkennung. Bleibt’s dabei, endet dieser Weg im Klischee. Die Codierung (2) gibt, mit ungewissem Ausgang und spielerischem Impuls, Raum für Experimente und Gefühlsverwirrung. Das schafft Unsicherheit und sorgt für Irritation. Bleibt’s dabei, endet dieser Weg im Abseitigen. Die Fotokryptik - da Methode, nicht Stil - neigt letzterem zu, baut aber Brücken. Paul allein auf der Welt begegnete mir kürzlich wieder im letzten Roman - Das stille Mädchen - von Peter Høeg. Däne, wie auch Jens Sigsgaard und Arne Ungermann, die Verfasser des Kinderbuches.

1 Kommentar:

  1. Ahoi Christoph!

    Wer allein lebt hat es gut, es ist niemand da, der ihm was tut. Wilhelm Busch

    Grüße

    herb

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