Donnerstag, 18. März 2010

Blüten


Was verbindet Schumann mit dem Film Ajami. Nichts. Nur der Zufall bindet zusammen, was sonst nicht zusammenkommt. Was das heißt? Man muß beides gesehen und gehört haben. Barenboim spielte jüngst Schumann. Klar, transparent. Er macht ihn zu einem intellektuellen Ereignis. Das berührt nicht, macht aber den Kopf frei. Die Musik zirkuliert - bei aller Vielfalt an instrumentalen Farben, Melodien und Virtuosität -, kreist um sich selbst. Findet keinen Ausgang. Steht, wenn man so will, in voller Blüte. Das „Danach“ kann sie nicht beantworten. Sie kennt keinen Ausbruch. Radikaler - und ehrlicher - kann man Schumann vermutlich nicht spielen. Ajami ist ein Film, der einem in den Nacken springt. Keine Totale, keine Landschaften, kein Schwenk, keine Ruhe. Immer dicht an und mit den Akteuren unterwegs. Eine verregelte Welt, ohne Aussicht auf Aus- und Aufgänge. Fatalismus. Pur. Die präzise Beschreibung einer segmentierten Gesellschaft, in der - überforderte - Familien Schutz, Clanbeziehungen eine fragile Rechtssicherheit herstellen, alle ihren Alltag meistern müssen und Kinder und Jugendliche um die Chance gebracht werden, zu sein, was sie sind und zu entwickeln, was sie können. Erzählstränge werden mehrfach aus- und aufgelegt, der Zuschauer mit den eigenen Schlussfolgerungen immer wieder konfrontiert. Hohe Erzählkunst. Keine Schnörkel, keine zur Identifikation einladende Gefühligkeit, intellektuelles Kino. Es dokumentiert einen Zustand in voller Blüte. Zirkulär. Stillstand. Agonie. Rastlosigkeit wie Ratlosigkeit. Kein Ausbruch zu sehen, weit und breit nicht. Erhellend. Anschauen und ertragen.

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