Donnerstag, 22. Oktober 2009

Neuköllner Einzelhandel


Einst war die Karl-Marx-Straße - mit ihren Seitenstraßen - eine gefragte und vielbesuchte Geschäftsstraße. Wer „gepflegt“ einkaufen gehen wollte, wählte zwischen Kudamm, Schloß- und Karl-Marx-Straße. Hier, das war Berliner Gemeingut, wurde man bestens bedient. Ein Fachgeschäft neben dem anderen. Nichts, was man nicht bekam. Keine Frage, die offen blieb. Keine Ware, die nicht bestellt, geändert oder getauscht werden konnte. Für Reparatur und Erhalt sorgte das örtliche Handwerk. Heute wirken sie - die letzten traditionellen Fachgeschäfte - wie aus der Zeit gefallen. Und sind uns dennoch - oder gerade deshalb - an's Herz gewachsen. Die Fleischerei Kluge in der Fuldastraße feierte gerade den 50. Geburtstag. Wer die Finger von Fleisch, Aufschnitt und Geflügel nicht lassen kann, ist und wird hier bestens bedient. Vegetarier kommen auch nicht zu kurz und greifen zu Biowein, Nudeln und Sauerkraut. Das andere Geschäft, die Blumenhandlung Weyer, sieht bereits auf eine 78jährige Firmengeschichte zurück. Der Laden Sonnenallee, Ecke Jansastraße, eröffnete 1957, zunächst als Obst- und Gemüsehandel. Für welch' Anlaß auch immer, hier wird der richtige Strauß gebunden, die gewünschte Staude besorgt und Balkonien saisonal angemessen bestückt und geschmückt. Wo die Reise im Quartier hingeht, läßt sich momentan schwer sagen. Etwas unentschieden schwankt die Karl-Marx-Straße - wie auch die Sonnenallee - hin und her zwischen Resterampe, orientalischem Basar, postmodern-beliebiger Glasarchitektur mit den immer gleichen Ladenketten, Handy-, Back-, Dönershops und - in den Seitenstraße - Männercafes, aufkommender alternativer Kneipen- und Kleinkunstkultur. Was die Zeit überdauerte und konstant anschwoll, war und ist der Verkehr. Man kann dies als Niedergang, Veränderung oder als „Neuerfindung“ beschreiben. Leben müssen wir's und pflegen sollten wir die alten wie die neuen Händlerinnen und Kaufleute. Was wir uns nicht nehmen lassen sollten ist, anders als uns jüngst Herr Sarrazin wieder anempfahl, türkische und arabische Händler in den Stand der "ehrbaren Bürgerinnen" aufzunehmen. Integration findet auf Augenhöhe statt. Oder gar nicht.

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