Sonntag, 17. Januar 2010

Geflügeltes


Instrumente atmen, heißt es landläufig. Sie leben. Insbesondere die aus Holz gearbeiteten. Das macht sie anfällig für Temperaturschwankungen, Ortsveränderungen und andere außermusikalische Vorfälle. Sie wollen zudem, so auch Klavier und Flügel, gespielt sein, sollen sie nicht stumpf werden im Klang. Eben dieser Übung unterzog Maureen Malis am Freitagabend einen der Neuköllner Genezarethgemeinde gestifteten Flügel. Mehr als 100 Jahre, vier Generationen und 2 Weltkriege hat es überstanden, das gute Stück. Gebaut wurde es von der Dresdner Klavierbaufirma Kaps. Der Resonanzboden noch der alte und unbeschädigt, wie der Spender berichtet. Nun schmückt es den Gemeindesaal. Und wer gestern - zumindest mir schien es so - genau hinhörte, wird das anfangs gesagte bestätigt finden. Zu Beginn klang der Flügel - Malis spielte rumänische Volkstänze von Bartók, nachfolgend Fauré, Chopin, Scarlatti und Debussy - zwar ausgewogen im Klangspektrum, aber leicht metallen, mit einem etwas harten Grundton, dem die recht trockene Raumakustik zusätzlich Wärme und Resonanz nahm. Nach einer dreiviertel Stunde, mit Brahms und gestiegener Raumtemperatur, kam das Instrument schließlich „in Schwung“. Mit der in etlichen Passagen wuchtigen und orchestralen Rhapsodie in g-moll entlockte Maureen Malis dem Flügel einen schönen, vollen, transparenten und raumgreifenden Klang. Wir sind gespannt. Auf die kommende Konzertsaison.

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