Samstag, 12. Februar 2011

Neuköllner Brauch


Ein alter Brauch. Nur in Neukölln beheimatet und verbreitet. Über den Ursprung ist wenig bekannt. Fallen in anderen Städten und Ländern die Leute „mit der Tür in’s Haus“, heißt es in Neukölln einmal im Jahr: stellt “die Tür außer Haus“. Was soviel heißt wie: „Seid willkommen“. Ein Tag der offenen Tür. Früher führte dieser Brauch häufiger auch zum „Türentausch“. Ein Versuch, besondere Verbundenheit zu bezeugen. Im Zuge der Entwicklung des Rechtssystems, der Rechtsprechung, der zunehmenden Bedeutung von Eigentum und Rechtstiteln, ließ man von letzterem wieder ab. Zivil- und Familiengerichte beschwerten sich über zusätzlich anfallende Arbeit, die Kirchen beklagten, hier würden „Unzucht und Liederlichkeit“ Vorschub geleistet, was „dem sittlichen Fortgang des einfachen Volkes nicht dienlich sei“. Nicht verbürgt ist die Vermutung anderer, das die DIN-Normen für Zargen, Türen und Schlösser hier ihren Ursprung haben. Wieder andere bringen diesen Brauch mit dem „Schmalmachen“ in Verbindung. Die „Tür vorm Haus“ signalisierte den wandernden Handwerksgesellen, dass das zünftige Vorsprechen bei Krautern (Meistern), Innungen, Handwerkskammern, Gewerkschaften, Schlachter-, Bäcker- und Brauereien nach einer kleinen Reiseunterstützung, einem Wegzehr, einem Labetrunk oder einem kostenlosen Nachtquartier genehm sei. Zuletzt machte das Gerücht die Runde, dass ein Verfahren anhängig sei. Der Rechteinhaber des „patentgeschützten“ Bildtitels „Die Tür außer Haus“ sah den Markenschutz verletzt durch Handelsketten, die den Aufkleber „Alles muß raus“ für Schluß- und Resteverkäufe nutzten. Man sieht, auch ein kleiner Brauch kann große Folgen zeitigen. Zumindest in Neukölln.

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