Samstag, 14. März 2009


Ein bisschen Praxis in Foto-Kryptik. Wir sind umstellt von Gebrauchs-
gegenständen
, in die viel Arbeit - Handwerk, Ingenieurskunst und, insbesondere auch und häufig unauffällig, Design-Arbeit - eingegangen ist. Der Toaster etwa hat eine Außen-, wie auch eine Innenhaut, eine Außen-, wie auch eine Innenansicht. Letztere „sieht“ man nicht, obwohl sie permanent „präsent“ ist. Als Gebrauchsgegenstand begleitet der Toaster uns täglich, leistet gute Dienste, um schließlich, sollte er nicht mehr funktionieren, auf dem Müll zu landen. Das obige Bild besteht aus drei Aufnahmen. Kamera: Sony DSC-P8, 3.2 Megapixel, 6 Jahre alt, gebraucht günstig zu erwerben. Modus bei Aufnahme: Automatik. Für das Bild wurden 3 Fotografien genutzt. Foto 1 und 2 (von rechts nach links) öffnen, die Kamera knapp über dem Broteinschub bzw. Auswurf gehalten, den Blick auf das „Innere“. Bild 3 entstammt ebenfalls der Küche. Mit der Makroaufnahme eines Brotschneidemessers ist die Kamera absichtlich und sichtlich „überfordert“. Die Unschärfe ist das, was das Bild spannend macht. Es entsteht Struktur. Sie steht für sich, hat ein „eigenes Leben“ und kann objektunabhängig genutzt werden.



Die weiteren Schritte nach Ablage auf dem Rechner: (1) Bearbeitung zunächst in Word, (2) alle 3 Bilder in Seite einfügen, (3) Bilder markieren, (4) Funktion Graphik formatieren: hinter den Text; danach sind die Bilder frei bewegbar; (5) anordnen und in Größe und Ausrichtung „zurechtziehen“ und (6) speichern als jpg.Datei (bspw. mit PDFCreator). Fertig. Die Arbeit mit „Word“ mag merkwürdig anmuten. Entscheidend in unserem Zusammenhang ist schlicht die Verfügbarkeit und Praktikabilität. Die Bilder sind nicht nachbearbeitet. Nun bleibt nur noch: ausdrucken, rahmen, an die Wand bringen und wirken lassen.
(Teil II)

Montag, 9. März 2009


Die Fotografie ist zu einer Alltagsbeschäftigung geworden. Das war sie schon immer, soweit es um Ferien- und Familienfotos ging. Anders verhält es sich mit der Kunstfotografie. Sie ist förmlich >explodiert<. Nicht zuletzt der Übergang von anlogen zu digitalen Medien hat diese Entwicklung vorangebracht, ja man muß sagen, förmlich provoziert. Handhabung und Kosten sind die Parameter, die ein Arbeitsfeld abschirmen, zum exklusiven Geschäft einiger Enthusiastinnen bzw. zu einem geachteten Beruf machten und machen. Entdeckergeist + Investition + Zeit + Erfahrung + Traditionsbildung + Handwerk mit Ausbildungsordnung + Industrialisierung + Produktentwicklung und Produktvervielfältigung + Erhebung in den Kunststand + Errichtung von Lehrstühlen. Danach folgt - auf der Ebene der Kunsthochschulen - das Periodisieren, Katalogisieren, die Kanonbildung, Sophistik, die Schulenbildung und das Weiterreichen von Erbhöfen. Im „richtigen Leben“ folgt häufig ein Niedergang des klassischen Handwerks, eine „Vermassung“ und „Hobbyisierung“. Aus „Kunst-Tempel-Sicht“ vielleicht beklagenswert, setzt die allseitige Verfügbarkeit allerdings neben millionenfacher Kopie und privatem Nippes zugleich Neues, Ungeahntes, Noch-Nie-Gesehenes, an welchem Ort der Welt auch immer, frei. Das ist so banal wie selbstverständlich. Wo viele Menschen etwas in die Hand nehmen, wird es ebenso viele Ergebnisse - gute wie schlechte, schöne wie hässliche - geben. Rar macht sich gegebenenfalls - kränkend nur für die, die an Kunst „glauben“ - die Aura, das Erratische, die Magie, das Transzendente und Einmalige, mithin individuell zurechenbare. Was ja nicht heißt, dass uns nichts mehr berührt! Nur „epochentypisch“ springt uns nichts mehr an. Erfahrungen, in Kunst verdichtet, sind weitgehend kontextgebunden, milieuspezifisch verortet und lebenszyklisch geordnet. Nicht zu vergessen, marktgesteuert, geldaffin und global verfügbar. Ein Nischendasein fristet die Foto-Kryptik. Das ist nicht schlimm, nicht einmal besonders erwähnenswert. Im Gegensatz zu ihren älteren Geschwistern - der Dokumentar-, Reportage-, Porträt-, Industrie-, Architektur-, Werbe-, Mode-, Akt-, Natur- und Landschafts-, Genre- und experimentellen Fotografie - ist sie theorie- und geschichtslos, lebt von bloßer Intuition, erhebt keinerlei Ansprüche und ist ein Kind der digitalen Reproduktionstechnik.
Die Kryptographie als Teil der Kryptologie ist die uralte Kunst, Methoden zur Verschlüsselung von Nachrichten zu entwickeln. Sie ist die Verbündete von List, Tücke und Überrumpelung und Teil - allseits bekannt ist die Geschichte der Verschlüsselungsmaschine „Enigma“, die von der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg eingesetzt wurde - jeder Kriegsführung. Die Kryptoanalyse dient der Entschlüsselung dieser Nachrichten. Eine Wissenschaft, die insbesondere mathematischen Verstand erfordert. Die Foto-Kryptik verschlüsselt, sofern sie (1) darauf verzichtet, ein Bildobjekt als selbstverständliche und unhintergehbare Referenz zu setzen. Ob sie dies bewusst tut, spielerisch, alles dem Zufall überlässt, spielt dabei keine Rolle. Der Kameragebrauch ist (2) atypisch. Sie ist schlichtes Werkzeug. Wer „schwarz“ mag, drückt den Auslöser der Kamera, wenn sie in der Tasche liegt. Für die Bildentwicklung und Bild(nach)bearbeitung gilt (3) dasselbe. Die „Komposition“ fragt nicht nach Referenz, sondern nach Gestaltung. Die „Entschlüsselung“ liegt (4) ganz bei der Betrachterin. Die Ergebnisse sind „kontext - entbunden“, in gewissem Sinne leer. Sie regen zunächst die Augensinne an, der Verstand arbeitet nach. Die Betrachterin schafft Ordnung, verbindet, stellt Zusammenhänge her, ruft Ähnlichkeiten ab oder lässt es. Es - das Foto - gefällt, regt an, verwundert, erzeugt Spannung oder verbleibt – wie so vieles – unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle.
Foto-Kryptik ist Methode, kein Stil. Sie nutzt, was an Technik verfügbar und “billig“ ist. Ohne Regel. Nichts definiert, was, wann und wie aufgenommen wird. Was dabei rauskommt, wird “sich” zeigen. Verwerfen darf man alles. Danach geht’s weiter. Die Frage der Öffentlichkeit - warum und für wen - stellt sich nicht. Es >passiert<, was der Produzentin oder dem Macher gefällt. Was danach kommt, kommt oder kommt nicht. Foto-Kryptik ist technisch bedingt. Der “Apparat” begrenzt, bei unbegrenzten Wahlmöglichkeiten. In Farbton, Aufnahmewinkel, Belichtung, Objektwahl, Ausschnitt, Nutzung und Nachbearbeitung. Aufnehmen lässt sich allerdings nur, was vor die Linse „passt“.
( Teil I )

Sonntag, 8. März 2009

Faustisch


Immer mal wieder steht „Faust“, in der Inszenierung von Thalheimer, auf dem Programm des Deutschen Theaters. „Sprechtheater“, klamaukfreie Zone. Ganz auf die Konzentration der Zuschauer setzend, dabei nicht ohne Spaß. Spaß an der Sprache, am Dialog, im Glauben daran, dass dem Text „nichts und niemand“ etwas anhaben kann. Sparsamste Bewegungen, karge Bühne, die kongenial das „Geschehen“ rahmt, Rezitation auf hohem Niveau. Mit Witz und Verve geht das Ensemble zur Sache, gibt sprachlich Tempo, wo immer nötig und dosiert stimmliche Intensität und Wortklang, wenn Lamentieren und Klagen, Überschwang und stiller Monolog es erfordern. Die Studierstube, schwarz in schwarz, lässt nur im Hintergrund ahnen, das sich „da draußen etwas bewegt“. Sie öffnet sich schließlich, um Raum im Raum, ja Weite anzudeuten, enthält aber nicht mehr als ein Bett. Sinnbild für das Begehren, das, einmal in die Welt gesetzt, im sittlich verfassten Kodex mit Faust's "Weltendrang“ kollidiert.
Thalheimer entscheidet sich früh für (s)eine Interpretation. Mephisto betritt die Bühne, „verschmilzt“ zu einer Figur mit Faust. Ein schönes Bild. Nichts anderes kann Faust mehr tun, als sich zu entzweien. Fortan ist er mit sich selber im Gespräch. Ein innerer als äußerer Dialog. Selbstreflexiv und zerrissen, drängend und doch dem stillen Glück im Winkel verhaftet, fordernd und fürchtend, dem Spiel mit allem, dem Verwerflichen zumal, zugetan, entgrenzend im „Wissen-Wollen“ und zugleich zaghaft im Handeln. Volksmythen, Romantik, Aufklärung und Wissenschaft, Religion, Sittengemälde und Kabarett. Goethe quirlt und schüttelt im Faust, was an sozialen, moralischen und religiösen Paradoxien wie ein untergründig anschwellendes tektonisches Beben auf das Ende der einen und den Beginn einer neuen Zeit drängt. Eine Art Geburtsstunde, der wir hier beiwohnen. Keine Blaupause, um der Ratlosigkeit, die heute allenthalben herrscht, beizukommen. Aber eine Aufforderung, den Verstand ins Recht zu setzen und - alle „menschlichen“ Untiefen auslotend - Bilanz zu ziehen. Anschauen und zuhören.

Freitag, 20. Februar 2009


Broschek. Klingt ein bisschen nach Brosche. Anstecken. Im Innenraum – die Rede ist vom „Broschek“, der „entspannten Cafe-Bar“ – entdeckt die aufmerksame Besucherin oberhalb von Augenhöhe und Scheitel kleine „figürliche Elemente“: Kunstformen. In der Weichselstraße, Ecke Donaustraße, kann hier seit November letzten Jahres, wer möchte, in „stilistisch gebrochenem“ Ambiente Kaffee trinken, Kuchen, Suppen oder Prozentiges zu sich nehmen. Das Mobiliar erinnert ein bisschen an Eisdiele und 60’er Jahre Wohnzimmer gleichermaßen. Den Sofa’s jener Zeit fehlte das Schwere und Ausladende. Eher klein geraten, tasteten sie sich – verschämt – an „gediegenes Sitzen“ heran. Mehr Funktions- als Repräsentationsmöbel. Tun ihren Dienst aber bestens. Anfangs lief ich am Broschek vorbei. Keine ausladenden Fenster und Flügeltüren - wie mittlerweile üblich - bieten Hinweise auf das Innenleben als Cafe-Bar. Die Außendeko ist angenehm schlicht gehalten. Nichts schaut dich an, du schaust nicht zurück. Unter Marketinggesichtspunkten nicht unbedingt zu empfehlen, aber hier paßt’s. Manches will schließlich entdeckt werden. Die Kunstformen stellt der Betreiber des Cafes selber her. In seinem anderen Leben. Ein gelungenes Beispiel für Kunstnahme. Einkehren!

Samstag, 14. Februar 2009


Ich treffe H. in der Donaustraße. Sie kommt vom Einkauf. Zwei schwere Taschen ziehen ihre Arme lang und schützen mich vor einer überfallartigen Begrüßung. Ja, sagt sie, dass mit dem Kreisverkehr - dabei wiegt sie den Kopf leicht hin und her - ist so’ne Sache. Verkehrstechnisch gesehen, ist alles dicht. Nix geht mehr. Stillstand. Richtungswechsel sind ausgeschlossen. Also. Alles stehen und liegen lassen? Abhauen? Wer räumt den Müll weg? Aber mal was anderes. Sie wechselt abrupt das Thema, balanciert ihre Taschen neu aus, indem sie die rechte in die linke Hand, die linke in die rechte Hand führt und lagert dabei für einen kurzen Augenblick ihr Körpergewicht auf’s rechte Bein, um die Balance nicht zu verlieren. Aus dem Nichts wird nichts, haben sie uns immer gesagt. Ist das so?!? Mir kommen Zweifel, sagt sie. Das Nichts folgt dem Recht. Recht ist, was für zulässig gehalten wird. Zulässig ist, dass Macht Arbeit in Eigentum überführt. Hat die Arbeit keine Macht, verliert sie neben ihrem Recht auch ihr Eigentum. Ein Recht auf Enteignung bricht sich Bahn. Nicht nichts entsteht aus dem Nichts, sondern Vermögen. Rechtlich einwandfrei. Ja, wie nun. Mir wird schwindelig. Physiker, sagt sie, haben gezeigt, dass Schwarze Löcher sehr wohl die “Erinnerung” an ihre früheren „Selbst“ noch in sich tragen. Politik und Wirtschaft funktionieren offensichtlich anders. Leichter Blutstau an beiden Händen - die Plastikträger der Taschen haben sich nach und nach in die Finger gegraben - zeigt an, dass die Tüten nach Hause getragen werden wollen. Sie zögert auch nicht und lässt mich mit einem „Bis denn“ stehen.

... gradwandern ...


„Denn wenn ich schreibe, schreibe ich, egal wo, fast will ich rufen, egal wie, aber das ist Überschwang.“ *

„Umweg-Literatur“ hat mit der Welt zu tun. Sie erkundet, misst aus, entdeckt, beschreibt, rückt in’s Licht, verbindet, entwickelt Bilder und ist epochal, wo sie Zeitgeist auslegt, verdichtet und prägt. Sie atmet und lebt. Das schreibende Ich rückt in den Hintergrund. Im besten Fall färbt es Sprache und Gegenstand ein, ohne Schatten zu werfen. Stil. So bei Thomas Mann etwa Ironie und Distanz. „Direkt-Literatur“ irrlichtert um’s Ich. Das kann urkomisch, berückend, verstörend und erhellend sein. Häufiger ist es mäßig geschrieben, stumpf und uninteressant. Identitätsgefuddel oder Befindlichkeitsdrama. Immer hart am Kurzschluß entlang. Erfahrungsarm. Parasitär am - nicht im - Leben anderer grabend, um in der Spiegelung lebendig zu wirken. Selbstsuggestion und Eigentherapie. Felicia Zeller gradwandert. Ihr gelingt’s. Knapp drin, ist eben drin. Schon des Titels wegen muß man sie mögen: "Einsam lehnen am Bekannten". Das sitzt. Und klingt „irgendwie gut“. Es hinterlässt ein ebenso angenehmes wie unbestimmtes „Kenn-ich-Gefühl“. Durch Neukölln streift ihr Blick, rutscht an Adidas-Streifen ab, folgt den Alltagsdialogen, misst die Spannung zwischen literarischen Sujets und innerem Monolog, kolportiert Treppenhausgeschichten und beschreibt das Schreiben als Arbeit am Schreiben. Mit Überschwang.

* Felicia Zeller, Einsam lehnen am Bekannten, Düsseldorf 2008, S.53

Ein Kommentar zur Lage. Sonst so angenehm kryptisch, „wirkt“ die(se) Arbeit der Nachtschicht geradezu überdeutlich, mit einem Hang zur Melancholie. Der Frühschicht kann’s recht sein. So findet der Tag seinen Anker: nachdenken, nichts überstürzen. Aber auch: die Naht von den Lippen, Maul aufmachen und handeln - dann aber gemeinsam.