Montag, 9. März 2009


Die Fotografie ist zu einer Alltagsbeschäftigung geworden. Das war sie schon immer, soweit es um Ferien- und Familienfotos ging. Anders verhält es sich mit der Kunstfotografie. Sie ist förmlich >explodiert<. Nicht zuletzt der Übergang von anlogen zu digitalen Medien hat diese Entwicklung vorangebracht, ja man muß sagen, förmlich provoziert. Handhabung und Kosten sind die Parameter, die ein Arbeitsfeld abschirmen, zum exklusiven Geschäft einiger Enthusiastinnen bzw. zu einem geachteten Beruf machten und machen. Entdeckergeist + Investition + Zeit + Erfahrung + Traditionsbildung + Handwerk mit Ausbildungsordnung + Industrialisierung + Produktentwicklung und Produktvervielfältigung + Erhebung in den Kunststand + Errichtung von Lehrstühlen. Danach folgt - auf der Ebene der Kunsthochschulen - das Periodisieren, Katalogisieren, die Kanonbildung, Sophistik, die Schulenbildung und das Weiterreichen von Erbhöfen. Im „richtigen Leben“ folgt häufig ein Niedergang des klassischen Handwerks, eine „Vermassung“ und „Hobbyisierung“. Aus „Kunst-Tempel-Sicht“ vielleicht beklagenswert, setzt die allseitige Verfügbarkeit allerdings neben millionenfacher Kopie und privatem Nippes zugleich Neues, Ungeahntes, Noch-Nie-Gesehenes, an welchem Ort der Welt auch immer, frei. Das ist so banal wie selbstverständlich. Wo viele Menschen etwas in die Hand nehmen, wird es ebenso viele Ergebnisse - gute wie schlechte, schöne wie hässliche - geben. Rar macht sich gegebenenfalls - kränkend nur für die, die an Kunst „glauben“ - die Aura, das Erratische, die Magie, das Transzendente und Einmalige, mithin individuell zurechenbare. Was ja nicht heißt, dass uns nichts mehr berührt! Nur „epochentypisch“ springt uns nichts mehr an. Erfahrungen, in Kunst verdichtet, sind weitgehend kontextgebunden, milieuspezifisch verortet und lebenszyklisch geordnet. Nicht zu vergessen, marktgesteuert, geldaffin und global verfügbar. Ein Nischendasein fristet die Foto-Kryptik. Das ist nicht schlimm, nicht einmal besonders erwähnenswert. Im Gegensatz zu ihren älteren Geschwistern - der Dokumentar-, Reportage-, Porträt-, Industrie-, Architektur-, Werbe-, Mode-, Akt-, Natur- und Landschafts-, Genre- und experimentellen Fotografie - ist sie theorie- und geschichtslos, lebt von bloßer Intuition, erhebt keinerlei Ansprüche und ist ein Kind der digitalen Reproduktionstechnik.
Die Kryptographie als Teil der Kryptologie ist die uralte Kunst, Methoden zur Verschlüsselung von Nachrichten zu entwickeln. Sie ist die Verbündete von List, Tücke und Überrumpelung und Teil - allseits bekannt ist die Geschichte der Verschlüsselungsmaschine „Enigma“, die von der deutschen Wehrmacht im 2. Weltkrieg eingesetzt wurde - jeder Kriegsführung. Die Kryptoanalyse dient der Entschlüsselung dieser Nachrichten. Eine Wissenschaft, die insbesondere mathematischen Verstand erfordert. Die Foto-Kryptik verschlüsselt, sofern sie (1) darauf verzichtet, ein Bildobjekt als selbstverständliche und unhintergehbare Referenz zu setzen. Ob sie dies bewusst tut, spielerisch, alles dem Zufall überlässt, spielt dabei keine Rolle. Der Kameragebrauch ist (2) atypisch. Sie ist schlichtes Werkzeug. Wer „schwarz“ mag, drückt den Auslöser der Kamera, wenn sie in der Tasche liegt. Für die Bildentwicklung und Bild(nach)bearbeitung gilt (3) dasselbe. Die „Komposition“ fragt nicht nach Referenz, sondern nach Gestaltung. Die „Entschlüsselung“ liegt (4) ganz bei der Betrachterin. Die Ergebnisse sind „kontext - entbunden“, in gewissem Sinne leer. Sie regen zunächst die Augensinne an, der Verstand arbeitet nach. Die Betrachterin schafft Ordnung, verbindet, stellt Zusammenhänge her, ruft Ähnlichkeiten ab oder lässt es. Es - das Foto - gefällt, regt an, verwundert, erzeugt Spannung oder verbleibt – wie so vieles – unterhalb der Aufmerksamkeitsschwelle.
Foto-Kryptik ist Methode, kein Stil. Sie nutzt, was an Technik verfügbar und “billig“ ist. Ohne Regel. Nichts definiert, was, wann und wie aufgenommen wird. Was dabei rauskommt, wird “sich” zeigen. Verwerfen darf man alles. Danach geht’s weiter. Die Frage der Öffentlichkeit - warum und für wen - stellt sich nicht. Es >passiert<, was der Produzentin oder dem Macher gefällt. Was danach kommt, kommt oder kommt nicht. Foto-Kryptik ist technisch bedingt. Der “Apparat” begrenzt, bei unbegrenzten Wahlmöglichkeiten. In Farbton, Aufnahmewinkel, Belichtung, Objektwahl, Ausschnitt, Nutzung und Nachbearbeitung. Aufnehmen lässt sich allerdings nur, was vor die Linse „passt“.
( Teil I )

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