Samstag, 30. April 2011

Neuköllner Rummel


In jungen Jahren war Rummel Adrenalin pur. Altersbedingte Hormonschübe halfen nach. Laut, derb und rau, Geruchsmischungen irgendwo zwischen Zuckerwatte und Bratwurst, gute Mucke am Auto-Scooter, Rasanz und Abenteuer, Schaulaufen für Mädchen & Jungen, Protzgehabe, Schlägereien. Privileg der Jugend. Schnell verflossen. Heute sieht’s anders aus. Für die einen überflüssig wie ein Kropf, für die anderen - so ging es uns, als die Kinder noch klein waren - ein festes Datum im Jahreskalender: Die Neuköllner Maientage. Der bespielte Platz reichte früher vom Columbiadamm bis knapp zur letzten Senke vor der heutigen Hundeauslaufstelle. Mittlerweile flächenmäßig eingedampft und auch vom Publikumszuspruch her deutlich rückläufig, zieht der Platz heute überwiegend türkisch-arabisches Jungvolk und Familien an. Die Veranstalter, das Bezirksamt Neukölln und der Schaustellerverband, haben Weitblick bewiesen und integrieren in die Maientage das Arabisch-Deutsche und das Türkisch-Deutsche Freundschaftsfest mit vielen Musikerinnen, Künstlern und Kulturschaffenden der Region. Für alle, die Kinder haben oder Kind geblieben sind, der Rest kommt auf ein Bier zum samstäglichen Feuerwerk.

Freitag, 29. April 2011

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„Raum (ist) ein versteckter Grundzug von Bewegung und Bewegung ein sichtbarer Aspekt von Raum“.

Donnerstag, 28. April 2011

Vater is' mal wech


Kalte Küche. Trockenessen. Ein Heim ohne Herd. Das Tischritual, längst brüchig, artet regelmäßig aus in zusammenhangloses, konkurrentes Gerede. Der Alltag, die Arbeitswelt, scheinen durch in Form der Produkt- und Werbewelt, als Stimmengewirr und Klangtapete. Nicht geeignet, Beziehungen zu knüpfen, die über bloße Geschäftigkeit und egomanische Visionen hinausgehen. Eine aus den Fugen geratene Welt, in der Penelope, eingekesselt zwischen fürsorglicher Bemutterung und Abstoßung des Sohnes und den aufdringlichen Freiern, die sich im Hause festgesetzt haben, „Pirouetten“ - sprechend, singend, liegend - in den Raum läuft. Dann kommt er endlich zurück. Odysseus. Nach langem Ausflug in ferne Länder, Krieg und Abenteuer. Matt, erschöpft, unsicher fragt er nur noch nach: Kannst du dich wieder an mich gewöhnen? Penelope willigt - wir staunen, denken aber an die vielen Frauen, die nach '18 und '45 mit derselben Frage konfrontiert waren - ein. Sie schließt das System, dass so lange nicht funktioniert hat. Und hatte doch immer wieder insistiert, dass eigentlich ihre Geschichte hätte geschrieben werden müssen. 20 lange Jahre des Wartens, des Haderns, des Hoffens, der Versuchung, der Arbeit. Wunderbar gespielt und gesungen, mit kleinem Orchester - Gitarre, Klavier, Geige - in Szene gesetzt, kommt diese Oper von Monteverdi mit Texten von Homer, Badoardo, Peter Esterhazy in der Regie von David Marton in der Schaubühne im Hier und Heute an. Schon da, ist die siebzehnjährige Ree. Sie versorgt ihre kleineren Geschwister und ihre kranke Mutter. Tiefste Provinz. USA. Ärmliche Verhältnisse. Kein Odysseus ist abhanden gekommen. Nur der Vater. Für die Haftkaution hat er Haus und Hof verpfändet. Und ist verschwunden. Ree muß es reißen oder alles ist verloren. Wie sie das macht? Mit ganzer Kraft. Unprätentiös, direkt, hautnah an den Personen, genau in der Beobachtung, folgt „Winters Bone“ ihrer Odyssee. Ein Lehrstück für Bildungsbürgerinnen und Bildungsbürger. Die glauben, dass sie auf Empathie, Beharrlichkeit, Solidarität, Fürsorge und kluges Handeln in schwierigen Situationen ein Patent besitzen. Nichts ist weniger wahr. Was beide Projekte verbindet? Na, Karten kaufen! Besseres zum Thema gibt’s zur Zeit nicht zu sehen. Nicht vergessen: Familie mitnehmen!

Mittwoch, 27. April 2011

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Dienstag, 26. April 2011

Neuköllner Mediensalat


So langsam nimmt die Medienlandschaft Form an. In Neukölln. Geschichten, Bilder, O-Töne kommen - täglich, wöchentlich, monatlich - aus den unterschiedlichsten Quellen und in den unterschiedlichsten Formaten in’s Haus. Bewegt oder starr, bunt oder binär, frisch oder abgehangen. Alles da. Kleinteilig, hintergründig, engagiert, selbst organisiert. Mit Berichten aus den (Un)Tiefen bezirklicher Politik, Impressionen aus Kiez und Kultur, Lebenshilfen, praktischen Tips, Technikverweisen und Veranstaltungshinweisen. Gewitzt bis bescheuert, ordentlich bis provokant, professionell aufgepeppt bis lässig-nachlässig gearbeitet, mit persönlicher Note oder journalistisch aufbereitet, geschrieben, gedreht oder besprochen. Von den „Urgesteinen“, die Vieles in’s Rollen brachten, bis hin zu den ganz Frischen, die Neukölln in anderem Lichte sehen, reicht die Bandbreite. Was alle eint ist, dass hier außerhalb ausgetretener Pfade berichtet wird. Frei Schnauze, jenseits kommerzieller Zwänge, unterschiedlich interessiert und motiviert. Das Kiezradio schließt eine der letzten Lücken. Wir hören gespannt!

Montag, 25. April 2011

Sichten 7


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„Tatsächlich lässt sich keine andere kulturelle Praxis benennen, die mehr Zwischenbereich, die mehr Medium für produktive Umformungen des Alltagslebens und seiner sinnhaften Besetzungen wäre als die Architektur.“



Sonntag, 24. April 2011

Samstag, 23. April 2011

Neuköllner Sorte


Das sind mir die liebsten. Halter wie Hunde. Bellen nicht, beißen nicht, scheißen nicht, bleiben am Platz und sind gut anzusehen.

Freitag, 22. April 2011

Sichten 6


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Donnerstag, 21. April 2011

Berlin geht immer


Was erstaunt, ist die Beweisführung. Einfache, breite Striche, grelle Farben. Nichts, was eindeutig identifizierbar wäre. Ein Auge. Kinn undMundpartie angedeutet. Das reicht. Um „zu erkennen“, wer hier „spielt“. Erstarrt, aber in Bewegung. So, dass auch noch die Musik hörbar scheint. Fetting kann’s. Ein Hoch der Popkultur. Beweis erbracht. Das klingt. Nach wie vor. Die Serie „Drummer und Gitarrist“, eine Hommage an’s CBGB, macht nur einen Teil der Ausstellung aus. Ansonsten: Berlin satt, in berückendes Licht und Farbe getaucht, Portraits und Studien. Studien, die zeigen, wie sich Fetting „ranarbeitet“. An Personen und Sujets. Was als Eindruck auch bleibt ist: Er hat’s weggearbeitet. Das Grau, den Schmutz. Der kommt hinterrücks wieder in’s Bild. Mit den Krähen. Vor der Ausstellung ist nach der Ausstellung. So hat sich die Berlinische Galerie das wohl gedacht. Und gut haben sie das gemacht. Mit der Vorhalle durchqueren alle Besucherinnen und Besucher beim Ein- wie Austritt Nancy und Edward Kienholz’s Environment „The Art Show“ (1963-1977). Lebensgroße Figuren. Einzeln und in Gruppe. Künstlerfreunde haben Modell gestanden. Die Münder sind mit Lüftungsklappen alter Automobile ausstaffiert. Warmluft strömt. Ehrlich. Körperseits angebrachte kleine „Recorder“ reproduzieren auf Knopfdruck hoch elaborierte Texte zur Kunst. In vielen Sprachen. Zeitlos. Heiße Luft, verquastest Geraune. Kunstbetrieb. Gestern wie heute. Daran hat sich nichts geändert. Was bleibt? Selber urteilen. Hingehen, gucken.

Mittwoch, 20. April 2011

Dienstag, 19. April 2011

Sichten 4


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Montag, 18. April 2011

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Sonntag, 17. April 2011

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Neuköllner Sicht


Spätaufsteher müssen glückliche Menschen sein. Das Leben hält noch Überraschungen für sie bereit. Neu scheint, was alt und selbstverständlich ist. So wachsen der Nachbarin und dem Nachbarn neue Federn. Aus freudloser Nichtbeachtung wird unter dem Brennglas politischer Großereignisse und medialer Zubereitung eine Nachricht von einigem Gewicht. Ob sie drückt, ängstigt oder befreit und bereichert, ist nicht zuletzt eine Frage der Debattenkultur im Lande. Freuen, Hoffen, Bangen, Glauben, Beten, Dienen, Singen, Lieben gehören, so unterschiedlich sie kulturell und religiös imprägniert sein mögen, zur Grundausstattung menschlichen Zusammenlebens. Jede und jeder so, wie sie oder er es braucht. Hält man gut aus, wenn aus der Innen- und Gottesschau keine Gitterstäbe gezimmert werden, die anderen die Sicht auf und den Weg in die Welt versperren. Das können wir in Neukölln.

Samstag, 16. April 2011

Sichten 1

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Manchmal muß man Sachen auf den Kopf stellen, ein bisschen schütteln und ein bisschen rütteln, um ihnen andere Seiten zu entlocken. Räume und Gebäude - geronnene Architektur - sind wie eine zweite Haut. Sie markieren die Grenze zwischen Innen und Außen. Sie passen oder passen nicht. Sie fühlen sich gut an oder nicht. Sie bedrücken oder „geben Raum“. Sie „sorgen“ für Licht oder dunkeln ab. Sie fördern Kommunikation oder organisieren Isolation. Sie hierarchisieren in ein soziales Oben und Unten oder schaffen Platz für egalitäre Zusammenkünfte. Ablegen kann man sie nicht. Nur zeitweilig außerhäusig sein. Große Gebäude schachteln die Welt. Sie vervielfachen die Differenz von Außen und Innen. Allen gemeinsam ist, dass sie Bewegungs-, Blick- und Handlungsweisen nahelegen. Schärfer noch, sie schulen und „justieren“ unseren Blick. Das lässt sich verstärken, brechen und variieren, wenn man Bilder so erstellt, „daß etwas mehr drin ist als nur sie selber.“ Fotokryptik eben.

Donnerstag, 14. April 2011

Mittwoch, 13. April 2011

asthmoid


Heute, so schreibt Jürgen Habermas in der Süddeutschen Zeitung, reagiere Politik, bei Verzicht auf Perspektive und Gestaltungswillen, nur mehr kurzatmig auf die wachsende Komplexität regelungsbedürftiger gesellschaftlicher Problemlagen. „Als hätten sich die Politiker den entlarvenden Blick der Systemtheorie zu eigen gemacht, folgen sie schamlos dem opportunistischen Drehbuch einer demoskopiegeleiteten Machtpragmatik, die sich aller normativen Bindungen entledigt hat.“ Darauf hatte sich Luhmann schon früh einen Reim gemacht. „Ein Verzicht auf Vernunft fällt natürlich schwer. Aber vielleicht halten wir nur einem historisch eingeführten Markenartikel der Semantik die Treue, während die Wirklichkeit sich längst nach anderen Gesichtspunkten richtet.“* So wird es sein. Egal, aus welcher Richtung man die Sache betrachtet.
* Luhmann, Protest, Frankfurt 1996, S. 82

Dienstag, 12. April 2011

Neuköllner Scham


Was ist das? Ein freundlicher Rat? Ein Hinweis, wie’s sich besser leben lässt? Eine Reminiszenz an die End-60’er? Ein Pubertätspickel im „Ach-Wie-Frei-Sein-Schön-Sein-Kann-Ich-Zeigs-Euch-Mal-Rausch“? Kampf der repressiven Sexualmoral? Selbstvergewisserung? Wer weiß. Vielleicht das:

„Die Sexualität ist etwas sehr Empfindliches, es ist schwer, einen Zugang zu ihr zu finden, aber sehr leicht, darauf zu verzichten.“ *

* Michel Houellebecq, Karte und Gebiet, Köln 2011, S. 240

Montag, 11. April 2011

Wimpel hissen


Wer die Kugel nicht sucht, hisst den Wimpel. Die feine Ironie, der Melancholie mit Trotz die Schwermut zu entziehen, hat fast schon wieder Neuköllner Niveau.

Jibt dir det Leben een Puff,

denn weine keene Träne!

Lach dir'n Ast und setz dir druff

und baumle mit de Beene.

Heinrich Zille

Sonntag, 10. April 2011

Neuköllner Wacht



Ich will, ich wüßte, hätte, könnte,
wenn dieses würde, müßte, gönnte,
mein Reich, mein Segen, meine Sorgen,
von heute, gestern oder morgen,
die da in schönem Schein und holder Art,
betäubend zwar und doch ganz zart,
tränen, nagen, zupfen, rühren,
- aber ach -
zum selben Gedanken immer führen!

Was allem doch zugrunde liegt
und wirkt wie eine täglich' Pille,
ist und bleibt der eig'ne Wille.

Samstag, 9. April 2011

Neuköllner Schrittfolge


Der Ausfallschritt, so sieht man’s häufig,

er ist nicht allen Herr'n geläufig,

drum übt und probt manch edler Mann,

auf das er’s bis zum Sommer kann.

Montag, 4. April 2011

Neuköllner Postbaum


Mal eine gute Idee. Die wachsen nach. Von unten her. Die neuen Kästen der Post. Einmal in den Boden gebracht, mit Bedacht gewässert, kann nichts mehr passieren. Wie tief die Briefe fallen, ob sie Wurzeln schlagen, ob Postkarten vor Grundwasser geschützt sind und wie die Leerung im Absaugverfahren unter Straßenniveau erfolgt, ist bisher noch Geheimnis der Post. Nichtsdestotrotz, einwerfen!

Sonntag, 3. April 2011

Zeiträume


Wer mehr zeigen oder sehen will, als erster und zweiter Blick hergeben, muß sich und anderen Zeit geben. Zeit öffnet den Raum für Kommunikation, Miteinander, Sich-Einlassen und gemeinsames Arbeiten. So sind die Fotografien von Herbert Bents immer mehr als „bloße“ Dokumente oder Augenblicksentscheidungen. Sie fassen zusammen und bringen in’s Bild, was erst wachsen muß, im Einverständnis verabredet, inszeniert, professionell arrangiert und schließlich präsentiert werden kann. Aufmerksamkeit. Kunstfertig. Für Menschen, Situationen, soziale Beziehungen. So zu sehen auch in einer neuen Ausstellung. 20 Menschen mit Behinderungen haben „Sich-Selbst“ entworfen: „Schaut her, dass bin ich!“ Zu sehen sind die beeindruckenden Portraits vom 05.04. bis zum 25.04.2011 – Eröffnung am 04.04.2011 um 17.00 Uhr – im „Kunstraum Blaschkoallee“, Standesamt Neukölln, Blaschkoallee 32. Hinfahren, anschauen, Zeit nehmen!

Samstag, 2. April 2011

Freitag, 1. April 2011