Montag, 20. November 2023

Stiller Klang


Gibt es sie? Stille? Sollte sie nicht 'unhörbar' sein, das will das Wort Stille uns doch sagen? Bloße Leere zwischen Geräuschen? Kann darüber anders als in Umschreibungen gesprochen werden? Dass es weitere Wege gibt, zeigt uns Océane Moussé. Sie nimmt Graphitkreide und Tusche zu Hilfe und trägt auf weißes Papier großflächig aber 'feinstgliedrig' - in Schattierungen vom zarten Grauton bis zum tiefen Graphitschwarz - Schichten über Schichten, Strich neben Strich oder fortlaufende Sätze auf, bis Landschaften entstehen, Bewegung und Objekte. Dass das eine nicht im anderen verschwindet ist die hohe Kunst des Verbindens, Verwischens, Verschränkens, 'Ineinanderwebens'. Was Ausgangspunkt war, bleibt Teil des Bildes, selbst wenn der erste Blick dies nicht nahelegt. Was das mit Stille zu tun hat?

 

 

„Ich werde nicht mehr stören“ ist ein Satz, aus frühen Schultagen manchen noch geläufig, der an die Tafel oder im Heft in unzähligen Wiederholungen zu schreiben war. Eine Strafarbeit. Das unbotmäßige Kind sollte lernen, 'still zu sein', sich zu äußern - laut zu werden - nur dann, wenn es gefragt wird. Océane Moussé bringt den Satz hundertfach auf Papier, bearbeitet das aufgetragene Material und erschafft ein Bild in Form eines Triptychons. In Nahsicht tauchen die Sätze wieder auf, mit Abstand stehen wir vor einer Landschaft mit vom Wind gebeugtem Schilfrohr. Kinder, so könnte diese Erzählung lauten, sind flexibel genug, der Stille zu entkommen. „Daß mich die Winde wenig kränken, ich beuge mich und breche nicht“, lässt Jean Fontaine in seiner Versfabel 'Die Eiche und das Schilfrohr' das Schilfrohr sagen. Widerständigkeit gegen Zurichtung, Standhalten trotz widriger Umstände, Klugheit und Witz statt 'Steifnackigkeit und Trotz' bergen ein tröstliches Versprechen, das Mensch wie Natur verbindet: Stille, nicht zu verwecheln mit Ruhe und Entschleunigung, ist endlich. Und sie hat, wie uns Océane Moussé in vielen Varianten zeigt, viele Klangfarben.

Für Kurzentschlossene. Da nur noch bis zum 26.11. im Saalbau Neukölln zu sehen und zu hören!

 
 


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