Mittwoch, 1. Dezember 2010

Geisterruf


Es sind schon komische Zeiten. Die Geister, die man rief, sehen so aus, wie sie bestellt waren. So reden und verhalten sie sich auch. Da gibt’s nichts zu beanstanden. Reklamationen sind nicht statthaft. Warum also das ganze aufgeregte Geschnatter bis hin zu Gesetzesänderungen? Die Umstellung auf Markt, die Ökonomisierung sozialer Leistungen und Dienste schafft, wie sollte es anders sein, auch den dazugehörigen Sozialunternehmer. Der, da ist Harald Ehlert recht zu geben, muß nicht in Sack und Asche laufen. Vielleicht sind ja Überschüsse der Kick, der gute Ideen auf den Weg bringt. Wer weiß. Zurück zum Markt. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter - seit Jahren dabei, flächendeckend den Niedriglohnsektor einzuführen, abzusichern und mit verschiedenen (Zwangs)Maßnahmen zu flankieren - bedienen landauf, landab Beschäftigungsträger, die die Arbeit mit Langzeitarbeitslosen zu einem profitablen Geschäft gemacht haben. Die Altenpflege, ob durch private Unternehmen oder gemeinnützige Gesellschaften betrieben, steht im Ruf, dem Teufel die Seelen zu versprechen, wenn denn die Rendite stimmt. Bei so viel Gebet fehlt bisweilen die Zeit und das Geld für’s fachgerechte Pflegen bzw. die Pflegerinnen. Warum sollte es der Jugendhilfe anders gehen? Geschäft ist Geschäft. Die Kameraden der Unternehmensgesellschaft Kienbaum und Partner, selbst nie in Arbeit und Verantwortung, bestätigen gerne dem jeweiligen Zahlmeister, dass das Ausgeben öffentlicher Mittel standesgemäß ausgefallen ist.
Klein hat er angefangen, der Harald. Ein Ruhrpott-Import. Im Jugendclub Edinburger Straße ging’s los. Auch damals immer schon busy. Mit wehendem Mantel unterwegs, an „der Sache“ nie wirklich interessiert. Selten vor Ort, gelenkig im Knie, die nächste Karrierestufe fest im Blick. Dabei eloquent, klug und schnell in der Umsetzung von guten wie weniger guten Ideen. Die Gabe, um nicht zu sagen der Zwang, jede und jeden an die Wand zu reden, trug ihm den Vorwurf der Arroganz ein. Wer ihn länger kannte, trat freiwillig zur Seite, um Redefluß und Wortgewalt auszuweichen. Ein Reisender in Sachen Ich-Organisation. Mühelos füllte er die Leerstellen einer intellektuell ausgebrannten SPD und machte folgerichtig auch dort schnell Karriere. Die, so ist das in Berlin, ein Geschäftsmodell, bespielt man virtuos und zusätzlich auch die Klaviatur der Bezirkspolitik, erst richtig befördert. Der Rest ist harte Arbeit und Kommunikation in den einschlägigen Kungelrunden, zu denen Stadträte, Angestellte der Senatsverwaltungen und Geschäftsführerinnen von Wohlfahrtsverbänden und Freien Trägern gehörten und gehören. Wer glaubt, die Kolleginnen und Kollegen, die Harald Ehlert über die Jahre begleitet haben, hätten mal deutliche Worte gefunden, irrt. Erfolg adelt. Geht’s grandios daneben, will’s keiner gewußt und gesehen haben.
Heiße Luft verkaufen konnte er immer. Das muß man ihm lassen. Da saßen sie alle, die Mennigers, Müllers, Denes und andere Freunde des Berliner Polit- und Sozialgewerbes. Geladen zur Fachtagung im Februar diesen Jahres im Rathaus Schöneberg. Und haben sich, wie so oft, von Ehlert gerne über’s Ohr hauen lassen. Wündertüten hat er ihnen verkauft. Randvoll mit „Sozialem Profit“. Was das ist? Die willkürlich berechnete Minderung von „Kosten“, die zukünftig hätten anfallen können, wenn nicht großartige Menschen wie Ehlert tätig geworden wären. Anders formuliert: Die zukünftigen - von niemandem und niemals zu ermittelnden - Aufwendungen für den sozialen Reparaturbetrieb, abzüglich der aktuellen - tatsächlichen anfallenden - Aufwendungen für den sozialen Reparaturbetrieb ergeben, ja was? Ein Plus, eine Rendite aufs eingesetzte Steuergeld! Genial. Kabarett mit willigem Publikum. Die Schöpferinnen des KJHG haben schlichter gedacht. Kinder und Jugendliche sind in ihrer Entwicklung zu fördern. Dafür hat die Gesellschaft Sorge zu tragen. Und die Kosten. Punkt. Dass das Ausgeben von Steuergeldern wirtschaftlich und nutzbringend erfolgen sollte, setzten sie, wie der gesunde Menschenverstand auch, voraus. Was aber nutzbringend ist, auch das wussten sie bereits, ist immer eine Frage des Übereinkommens. Was brauchen wir, wie wollen wir leben, wie gehen wir mit denen um, die es nicht schaffen? Der Hang, Bildung und Soziales über den Rentabilitätslöffel zu barbieren, zeigt, wie 3 Jahrzehnte neoliberaler Ideologie die Köpfe und die Herzen so sehr imprägniert hat, dass auch im neuerlichen Anlauf des Königs neue Kleider reißend Absatz finden. Bezahlen müssen, wie bei diesen Geschäftsmodellen üblich, die Beschäftigen.

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