Montag, 13. Dezember 2010
Meistersinger
Wagner ist ein Reizthema. Es gehen immer die Falschen in’s Opernhäusle. Stimmt’s? Wer möchte schon die Garderoben und das inzestuöse Gehabe der Schönen und Reichen, des Polit-, Geld- und Raubadels beim gespreizten Teppichlauf in Bayreuth bestaunen. Das Wagner im österreichischen Postkartenmaler einen großen Fan und Verehrer fand, die Familie Wagner sich diesem in die Arme warf und dem Furor aus Mord und Totschlag freundschaftlich assistierte, erschwert den Zugang. Nun verstarb der alte Wagner, der als bekennender Antisemit bezeichnet werden darf, bereits 1883. Die Gnade, früher gelebt zu haben, hat vermutlich Schlimmeres verhindert. Wer allerdings glaubt, ihm durch Nichtbeachtung entgehen zu können, irrt.
Die Musik ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute - so insbesondere im Film - voll von Anleihen aus dem Wagner’schen Schaffen. Nichthören geht nicht. Dann doch ruhig mal das Original zu Gemüte führen. Dass das musikalisch spannend sein kann, zeigt die Komische Oper. Mit der einzigen komischen Oper Wagners. Die Meistersinger von Nürnberg. Kein pompöses Gedröhne und tschingterassa-bum-bum, keine Ausstattungsorgie, kein Bühnenalarm oder überzeichnete Figuren. Sparsam im Bühnenbild, das aus einer einzigen Idee - versetzbaren Häusern - ein lebendiges, im Verlauf immer wieder neu arrangiertes, silhuettenartiges Stadtbild für die unterschiedlichsten Szenen zaubert. Das Orchester hervorragend eingestellt, ganz im Dienst von Handlung und Gesang, dabei mit einer glasklaren, in Blech, Holz wie Streichern, weichen und differenzierten Klangführung. Das ab und an aufscheinende Gedräue, Aufwallende und Überbordende zeigt sich in der „wohltemperierten“ Fassung der Komischen Oper als handlungsbezogenes, dramaturgisches Mittel. Keine Überwältigung, kein emotionales Ton-Gel, das Handlung und Bühnengeschehen überbietet. Man mag das Thema bespötteln. So hat die Figur des Hans Sachs für uns heute etwas Unzeitgemäßes, Altbackenes. Die Meistersinger sind nicht mehr als eine historische Reminiszenz, so wie auch die enge Verbindung von Handwerk und (Volks)Kunst mit dem Verschwinden der Zünfte unwiderruflich verloren ging. Das Thema ist dennoch in der einen oder anderen Variante präsent und wird nach wie vor diskutiert. In den 50’ hörten die Meistersinger auf den Namen Elvis, in den 80’ auf NWA. Anders formuliert: Gibt es Regeln, die den Kunstbetrieb limitieren. Die Werk und Aufführung kanonisieren, Tabuzonen errichten, die Kunstausübung beschneiden, bedrängen, in den Dienst nehmen für andere Belange? Wie steht es um die Verbindung von Bevölkerung und Kunst, von Laienwerk und Profession, von Tradition und Neuerung? Die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik ist immer noch und ohne Abstriche Grundlage aller öffentlichen Förderprogramme im deutschen Kulturbetrieb.
Das die Liebe einen Weg weist, um Leben und Künsten neue Ufer zu erschließen, ist stehender Teil jedes zweiten Bühnenwerkes, Films oder Romans. Nicht neu, was die Oper da bietet, aber auch nicht abseitig. Da tut sich keine Gruft auf. Verletzungsgefahr ausgeschlossen. Also. Wagner nicht den Knallchargen überlassen. Einfach mal ausprobieren!
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