Donnerstag, 31. Dezember 2009

Filmreif


Es gibt Filme, die reifen. Die haken sich ein und tauchen ab und an - getrieben durch unterschiedliche und eher zufällige Anlässe - auf. Es sind eigentlich nicht die Filme, die berühren. Jedenfalls nicht als Film. Filmbesprechungen sind Filmbesprechungen. Sie gehorchen eigenen Regeln. Das muß man lernen. Schnitt, Ästhetik, Licht, Dramaturgie und so weiter. Bei uns Unstudierten bleibt - auch noch und manchmal sogar erst nach Monaten - banales hängen: Die Botschaft. Wenn es denn so etwas gibt. Häufig kommt das nicht vor. Woody Allen verbreitete zuletzt Wohlgefühl. Mit einer Halbwertszeit von 2 Stunden. Tarantino zeigte, dass das fröhliche Niederschießen der ganzen Nazibagage richtig Spaß machen kann. Undeutsch und - tief - befreiend. Aber doch nur, das sagt er uns im gleichen Atemzuge, als Kinoereignis. Zelluloid brennt gut. Im Auge, im Geiste wie auf der Leinwand. ‚Das weiße Band’ habe ich ‚abgelagert’ und warte darauf, was passiert. Dass was passiert. Ist wahrscheinlich noch nicht ‚alt genug’. Das spricht nicht gegen den Film. Der gefiel mir sehr! Clint Eastwood macht’s anders. Direkt. Er hat ein Anliegen. Das führt deutlich über’s Medium hinaus. Und geht - sofern es trifft - unter die Haut. Ob die Filme als Filme gut sind, möchte ich nicht beurteilen. ‚Der fremde Sohnbedrängt mit der Geschichte einer staatlich lizensierten Psychatrisierung einer Frau, der man ein fremdes Kind unterschiebt. Ohnmacht und staatliche Willkür in Szene gesetzt. So, dass jede und jeder begreift: Das darf nicht sein. Nie und nirgendwo. In ‚Gran Torino’ inszeniert Eastwood eine Wachablösung. Ein alter Grantler und Rassist, dem die eigene Welt abhanden kommt, gibt Land, Leben und Seele in fremde Hände. In die Hände eines jungen Einwanderers. Die Zukunft gehört anderen. So oder so. Fühl ich mich belehrt? Nein, sofern es Aufdringlichkeit und Überrumpelung meint. Ja, wenn es um die Einnahme einer Haltung geht. Na denn, machen wir uns an's neue Jahrzehnt!

Mittwoch, 30. Dezember 2009

Neuköllner Kaufhaus


Ohne Karstadt ist er natürlich 'nischt. Der Hermannplatz. Nur Passage. Karstadt zieht und hält Geld, Arbeit und Leute am Platz. Schon die Baumasse bestimmt Karstadt zum ‚Platzhaus’. Einst größtes Kaufhaus Europas, hat der Glanz vergangener Zeiten in den letzten Jahren arg gelitten. Die kleinen Gauner am Platz kennen und respektieren die Ökonomie des Alltags. Sie leben davon. Die großen Gauner - der Herr Middelhoff etwa - nehmen ganz anders Maß. In schwindelerregender Höhe spielen sie - wie im Fall von Karstadt und Quelle - mit Gütern, Existenzen, Standorten. Lokal ist ihnen schnuppe. Distanz schützt vor Mitgefühl. Den Rest erledigen Bilanzen. Die sind, wie wir wissen, geduldig und gestaltbar. „Wir haben mit der Lupe nach der Substanz in diesem Unternehmen gesucht, aber wir haben nichts Nennenswertes gefunden." Das sagt der Insolvenzverwalter. Zum Glück steht das Gebäude noch! Wie auch immer. Wir haben in Deutschland bisher keinen Begriff und kein Gefühl für Zusammenhänge, Netzwerke und Personen entwickelt, die ähnliches in’s Werk setzen, wie das, was die Italiener Mafia nennen. Der größtmögliche Nutzen für einige Wenige zu Lasten der Allgemeinheit. Die Substanz im eigenen Interesse vergolden, den Rest in den Orkus. So das Wirtschaftsmodell. Klingt ein bisschen nach FDP. T'schuldigung. Auch der Justiz fehlt das Sensorium, da schlägt nicht's aus. Ganz anders, wenn es um die 'Taten' von Arbeitnehmerinnen geht, denen der Verzehr eines für den Abfall bestimmten Lebensmittel zur Kündigung gereicht. Die 'Ästhetik des Ungefähren' ist eine spannende Sache. Spannender wäre - liebe Neuköllner Studentinnen und Studenten - wenn ihr einen Antrag auf EU-Mittel für eine Studie stellt, die dem Zusammenhang von Netzwerkmanagement, Unternehmensverflechtung, Banken und Wirtschaftskriminalität in Auswirkung auf lokale Arbeits- und Lebensverhältnisse nachgeht. Ich helfe.

Montag, 28. Dezember 2009

Hermannplatz


Der Hermannplatz hat Charakter. Sofern Plätze überhaupt einen haben können. Er organisiert - tausendfach und rund um die Uhr - Begegnung in Anonymität. Wer sich dem täglich aussetzen muß weiß, dass das Kraft kostet. Gewöhnung hilft. Je nach Zugang bietet der Hermannplatz ober- wie unterirdisch verschiedene Perspektiven. Wer ihn von "oben" her anfährt, aus der Hermannstraße, ist vorgewarnt. In der Verlängerung öffnet sich weder ein lauschiges Plätzchen, das zum Flanieren einlädt, noch ein Knotenpunkt, der mehr ist als ein Verkehrsschanier, das Auto- und Menschenströmen Richtung und Stockwerke zuweist. Wer ihn von "unten" per U-Bahn erreicht, landet - zumindest was Höhe, Breite und Längsausdehung angeht - in der kathedralenartig angelegten, funktional-schmucklosen Ebene der Linie 7. Weiterfahren hilft, der Tristesse des Platzes auszuweichen. Wer umsteigt, landet im deutlich düsteren und verengten Zwischendeck der Linie 8. Wer raus muß, nach oben, steht mittendrin. In Hast und Lärm. Der Verkehr hatte und hat diesen Platz, daran wird auch keine 'straßenbauliche Zurichtung' etwas ändern, stets im Würgegriff. Der Rest ist Geschäftigkeit, Eile, Durchgang, flüchtiges Begegnen. Verkehrsinsel, zweimal wöchentlich Markt für Gemüse, Obst und Klamotten. Temporärer Rastplatz für Pendler, Penner, Dealer und Jugendliche. Bo Soremsky hat Platz und Leuten seine Aufmerksamkeit gewidmet. Seine Bilder illustrieren die Kurzgeschichte „10 Minuten Hermannplatz“ von Jürgen Kiontke. Zu sehen sind die Illustrationen noch in der Zeit vom 01.01. - 15.01.2010 im Broschek. Angucken!

Samstag, 26. Dezember 2009

Neuköllner Öfen


Früher - bis weit in die 80’er hinein - waren wir Berlinerinnen und Berliner im Nebenberuf Heizer. Gute 7 Stunden wöchentlich nahm in Anspruch, was heute mit einem Dreh am Heizungsventil erledigt ist. Je nach Konstitution und Kraft wurden 1 bis 4 10-Kilopacken Brikett vom Köhlenhändler oder aus dem Keller nach oben gewuchtet. Jedes zusätzliche Stockwerk eine Qual. Glücklich, wer nicht im 4. wohnte oder gar einen Aufzug besaß. Die Philosophie des Heizens mit Kachelofen war im Winterhalbjahr selbstverständlicher Teil des Kneipengesprächs, des Nachbarschaftsplausches und der Nachbarschaftshilfe. Heute undenkbar und aus der privaten wie öffentlichen Kommunikation so gut wie verschwunden. Schlecht ziehende Kaminzüge, die beste Art, mit Papier und Holz die Glut zu entfachen, das Einstellen der Zugluft, der Zeitpunkt des Schließens der Lüftungsklappen, Durchheizen und alte Glut für’s Wiederentfachen nutzen, die Anzahl der Briketts, die der Ofen am Tag benötigt, um wohlige Wärme zu verbreiten: alles Fragen, die bewegten. Ständige Begleiter von November bis März waren der leicht schmierige Rußfilm, der sich über alles in der Stadt legte, der permanente Geruch nach Hausbrand und der häufige Nebel bzw. Smog. Die dichtbevölkerten Innenstadtquartiere waren - wie in vielen anderen Dingen - Spitze bei den Emissionswerten. Ein gutes allerdings hatte diese Zeit: den pfleglichen Umgang mit Sperrmüll. Alles was nur entfernt nach Holz aussah, landete nicht auf der Straße, sondern zunächst - kleingehackt und gestapelt - im Keller und später im Ofen.

Donnerstag, 24. Dezember 2009

Neuköllner Planwerk


„Die Wahrnehmung der Nähe zum Wasser lässt den Norden Neuköllns in einem anderen Licht erscheinen.“ Ein schöner Satz. Aufwertung - heute heißt es 'in Wert setzen' - durch Wahrnehmung. In die Köpfe muß 'rein, was der Realität (noch) nicht standhält: die Idee des angenehmen Wohnens, das Gefühl, in einem gepflegten Umfeld zu leben, der bloße Gedanke, einer der vielen Wege wird vom eigenen Heim zum Wasser führen. So blumig die Broschüre Veränderung bewirbt, so ernsthaft - schauen wir auf die Beschlußlage - wird geplant. Das Gebiet Maybachufer/Elbestraße ist Teil des ‚Planwerk Südost’. Es wird begrenzt durch die Donaustraße, Innstraße, Ganghoferstraße, Reuterstraße, die Liberdastraße, das Maybachufer, die Harzer Straße, Bouchéstraße, Heidelberger Straße und Elsenstraße. Ziel ist die Revitalisierung städtischer Quartiere. „Das Planwerk erfindet die Stadt nicht neu“, so schreibt die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, „sondern entdeckt verschüttete Lebensadern der Berliner Innenstadt wieder.“ Die Ausschreibung für die ‘Erarbeitung eines Integrierten Stadtteilentwicklungskonzepts’ für das Gebiet gab erste Auskünfte über Anliegen, Absichten und Handlungsstrategien. „Der Handlungsbedarf besteht,“ so heißt es, „bei gleichzeitigem Schutz der sozial schwachen Bevölkerung vor Verdrängung, in der Instandsetzung der Gebäude, der Behebung von Nutzungskonflikten auf Wohn- und Gewerbegrundstücken, in der Neuordnung und Entsiegelung von Flächen. Die Straßenräume sollen aufgewertet und die Schulwege sicherer werden. Zustand und Anbindung der Radwege sind im gesamten Gebiet verbesserungsbedürftig. Die Wegebezüge zu den Ufern und nach Treptow-Köpenick sind zu verbessern und die Gestaltung der Kanalufer fortzuführen.“ Der jetzt vorgelegte Bericht, erstellt vom 'Büro für Stadtplanung, -Forschung und -Erneuerung', ist im Netz leider noch nicht einsehbar. So wohlklingend und sicher gut gemeint die Absichten sind, so genau wird man hinschauen und aufpassen müssen, dass nicht an den Bedürfnissen der Bewohnerinnen und Bewohner vorbei geplant und entwickelt wird. Es gehört nicht viel prophetische Gabe dazu, in Nord-Neukölln - mit Blick auf das zu erschließende Flughafengelände - das zukünftige Stadtquartier mit den besten Entwicklungsaussichten zu sehen, gebremst allenfalls durch die Auswirkungen der Finanz- und Wirtschaftskrise. Nicht auf die Schnelle, aber ganz sicher in den nächsten 15 – 20 Jahren. Also durchhalten, liebe Nachbarinnen und Nachbarn! Und das Feiern an Weihnachten nicht vergessen!!!

Mittwoch, 23. Dezember 2009


EK (10 - 10)

Freitag, 11. Dezember 2009


EK (9 - 10)

Donnerstag, 10. Dezember 2009


Alles wird schön!

Mittwoch, 9. Dezember 2009


EK (8 - 10)

Dienstag, 8. Dezember 2009


EK (7 - 10)

Sonntag, 6. Dezember 2009


EK (6 - 10)

Samstag, 5. Dezember 2009

Gegen-app


Ein Vordenker der Fotokryptik, zumindest aus philosophisch-systematischer Sicht, ist Vilém Flusser. Seine kleine Schrift 'Für eine Philosophie der Fotografie', erschienen 1983, fiel mir gestern zufällig in die Hände. Und da ich nicht immer die Zeit habe, Bücher ganz und in Ruhe durchzulesen, „raubbaue“ ich da, wo’s mir gefällt und zusagt. Kein wirklich wissenschaftlich ausgewiesenes Vorgehen, aber blogkompatibel. Was schreibt er da? "Inwieweit ist es dem Fotografen gelungen, das Apparatprogramm" - gemeint ist die Tendenz technischer Systeme, sich gegen menschliche Absichten und bewusstes, freies Handeln durchzusetzen - "seiner Absicht zu unterwerfen, und dank welcher Methode?" (S.43) Es sind, so resümiert Flusser, die „experimentellen Fotografen“, die sich dessen bewusst sind, "das „Bild“, „Apparat“, „Programm“ und „Information“ die Grundprobleme sind, mit denen sie sich auseinanderzusetzen haben. Sie sind tatsächlich bemüht, unvorhergesehene Informationen herzustellen, das heißt, aus dem Apparat etwas herauszuholen und ins Bild zu setzen, was nicht in seinem Programm steht. Sie wissen, dass sie gegen den Apparat spielen." (S.73/74) Lassen wir mal die Kämpferpose außen vor und nehmen eine pragmatische Haltung ein, dann passt’s. Na, wenn das kein Ritterschlag ist.
* Für eine Philosophie der Fotografie, V. Flusser, Göttingen 1983

Freitag, 4. Dezember 2009

Neuköllner Visionen


Geht’s da wirklich lang? „Wenn sie es hier nicht schaffen“, sagt Klaus Lehnert, ehemals Rektor des Neuköllner Einstein-Gymnasiums und heute - als Ruheständler - Leiter des Campus Rütli, „dann schafft man es wahrscheinlich nirgendwo. (….), das sei das visionärste Schulprojekt, von dem er je gehört habe.“ So berichtet die Berliner Zeitung von gestern. Schwierig, nicht in die Nörglerecke zu geraten. Alles was hier auf den Weg gebracht wurde und wird, ist in jeder Hinsicht respektabel und sinnvoll. Was aber wird hier gezeigt? Nehme ich Geld in die Hand, lassen sich viele Dinge auf den Weg bringen, können Änderungen bewirkt, Motivation neu belebt und ein alle inspirierender Aufbruchsgeist entfacht werden. Zwiespältiger wird's, schaut man genauer hin. Was fehlte bisher? Die (1) Aufmerksamkeit gegenüber Schülerinnen und Schülern, zumal gegenüber denen, die aus Zuwandererfamilien kommen. Die (2) Selbstverständlichkeit, mit der eine Lernkultur, in der Neugier, Interesse, Motivation und die Lernlust von Kindern und Jugendlichen wachsen und gedeihen, gepflegt und gehegt wird. Der (3) politische Wille, ein durch und durch desolates, unterfinanziertes Bildungswesen als Problem und Aufgabe wahrzunehmen. Dazu gehören marode Gebäude, dem 19. Jahrhundert entstammende Bildungswege, überkommene Verwaltungsstrukturen und überforderte Lehrerinnen und Lehrer, deren Ausbildung nicht vorbereitet auf heutige Lebens- und Lernverhältnisse. Und - in der Diskussion kaum zu vernehmen, aber nach mittlerweile 50 verlorenen Jahren das größte Problem - die (4) Einsicht, dass nur Schulkollegien, in denen sich die Vielfalt an Sprache und Kultur der Berliner Bevölkerung wiederfindet, angemessen auf die Welt vorbereiten können und allen Kindern das Gefühl vermitteln, dass sie „angekommen“ sind. Ein schaler Beigeschmack bleibt also. Wenn das, was eigentlich normal sein sollte, dass Visionärste ist, was sich ein erfahrener Schulleiter vorstellen kann, muß es schlecht stehen um die Schulen in diesem Land. Was folgt daraus? Was Rütli recht ist, sollte allen anderen Schulen billig sein. Was brauchen wir? Einen Rettungsschirm für die deutsche Bildungslandschaft. Mit Ruhe und Bedacht organisiert, langfristig angelegt, mit Platz für Phantasie und Experimente. Als Regelfall, nicht in Form von Modellprojekten. Finanziert durch die Erträge der durch Staat und Steuergelder gepäppelten Banken und Steuern auf hohe Vermögen.

Donnerstag, 3. Dezember 2009


EK (5 - 10)

Mittwoch, 2. Dezember 2009



EK (4 - 10)

Dienstag, 1. Dezember 2009


EK (3 - 10)

Montag, 30. November 2009

Geld lebt lieber ohne uns


Kommt ein Thema in Fahrt, steht zu befürchten, dass es um die beschriebene Sache schlecht steht und das Verfallsdatum womöglich schon überschritten ist. Um was geht es. Vertrauen ist - folgt man unterschiedlichen Autorinnen und Autoren - der Rohstoff, der die Gesellschaft im Innern zusammenhält. Kein Gespräch, keine Kooperation, kein Fortkommen, keine Geschlechterfolge, ja nicht die kleinste Geste gelingt, wenn nicht ein Quäntchen davon, oder zumindest der Glaube daran, es gäbe dieses Quäntchen noch, im Umlauf ist und Handeln sichert. Jan Phillip Reemtsma kam im letzten Jahr mit „Vertrauen und Gewalt“ raus, Alexander Kluge führte kürzlich sein neues DVD-Kompendium „Früchte des Vertrauens“ vor und Falk Richter inszeniert in Kooperation mit Anouk van Dijk Trust an der Berliner Schaubühne. Trust, das sei vorweggeschickt, bringt kein Vertrauen zurück. Es konfrontiert mit der eigenen Hilflosigkeit. Warum das reizvoll ist? Weil Krisen sich in vielfältigste Sprachen und Formen übersetzen lassen. Das hat nichts mit Zynismus zu tun. Es gibt dem, was unausgesprochen bleibt, empfunden wird, beunruhigt, schwelt und vor sich hingärt, Ausdruck. Sezieren, neu anordnen und verdichten heißt hier: Vorschläge machen. Präzise und beeindruckend setzt Anouk van Dijk in’s Bild, was die Texte an Verunsicherung, Anklagen, Zustandsbeschreibungen, Hilflosigkeiten und Leerlauf benennen. System reimt sich auf Körper, Beziehung reibt sich an Arbeitsverhältnissen, Alltag stößt an’s Geld. Es sind stakkatohafte, zerrissene Bewegungen, in die kein Fluß und in denen keine Selbstgewißheit zum Ausdruck kommen will. Ein Wechselspiel von Anziehung, Annäherung, Ineinanderverhakeln, Abstoßen und Gewalt. Das Leben hat kein Maß, die Körper keine Mitte, das System genügt sich selbst. „Das Geld lebt lieber ohne uns weiter“. So könnte es kommen. Keine Bange, Witz und Ironie kommen nicht zu kurz. Ticket lösen!

Sonntag, 29. November 2009


Neuköllnerinnen und Neuköllner gehören zu der Sorte Mensch, die - ohne Wellen zu schlagen - geradliniges Denken mit Zielstrebigkeit klug verbinden. Nur teuer darf’s nicht sein!


EK (2 - 10)

Samstag, 28. November 2009

Einsamkeit


Einsamkeit. Ein Gefühl, das alle kennen. Lebensbegleitend. Gesucht, gefürchtet, erbauend, niederdrückend. Teil jeder Poesie. Teil jedes Alptraums. Ein altes Kinderbuch - Paul allein auf der Welt - gab mir für dieses Gefühl ein Bild. Was passiert im Buch. Paul wacht morgens auf und findet sich allein auf der Welt vor. Keine Eltern und Geschwister, keine Menschen auf der Straße, alles liegt ruhig und ungenutzt vor ihm. Paul greift die Gelegenheit beim Schopf, um all die Dinge zu tun, die er sonst nicht tun darf oder kann. Das Führen einer Straßenbahn etwa oder die „Selbstbedienung“ in Geschäft und Bank. Ersteres endet mit einem Unfall, letzteres hinterlässt, da niemand die „Beute“ mit ihm teilt, ein schales Gefühl. Der im ersten Moment beglückende Zustand des unverstellten Zugriffs auf alles Wünschbare zerrinnt angesichts des Gefühls, den Dingen nur in Gemeinschaft etwas abgewinnen zu können. Der Genuß - paradox - liegt im Teilen, so schmerzhaft das sein kann. Was hat das mit der Fotokryptik zu tun? Ohne Wort oder Bild, ist (1) kein Gefühl „da“. Die Codierung (2) bedient sich der Mittel und des Materials, das - kulturell und sozial gefiltert - Verbreitung gefunden hat. Das Gefühl ist mithin alles, außer (3) ursprünglich. Seine Kraft, seinen Reichtum bezieht es (4) aus der im Prinzip nicht begrenzten „Form- und Farbenfülle“, in denen es sich „kundtun“ kann. Zwei Wege öffnen sich an dieser Stelle. Die Codierung der Gefühle (1) wird, etwa der Verkäuflichkeit halber, normiert, katalogmäßig produziert und vertrieben. Das schafft Sicherheit und sorgt für Wiedererkennung. Bleibt’s dabei, endet dieser Weg im Klischee. Die Codierung (2) gibt, mit ungewissem Ausgang und spielerischem Impuls, Raum für Experimente und Gefühlsverwirrung. Das schafft Unsicherheit und sorgt für Irritation. Bleibt’s dabei, endet dieser Weg im Abseitigen. Die Fotokryptik - da Methode, nicht Stil - neigt letzterem zu, baut aber Brücken. Paul allein auf der Welt begegnete mir kürzlich wieder im letzten Roman - Das stille Mädchen - von Peter Høeg. Däne, wie auch Jens Sigsgaard und Arne Ungermann, die Verfasser des Kinderbuches.

Sonntag, 22. November 2009

Neuköllner Backgewerbe


Zum Weinen sind auf den ersten Blick Auswahl und Qualität der Backwaren, die in und um die Donaustraße, Sonnenallee und Karl-Marx-Straße die Konsumentinnen um’s Geld bitten. "Lecker-Brötchen sind nicht mehr". Das klassische Bäckereihandwerk, der Familienbetrieb, liegt darnieder und hat der Groß- und Billigkonkurrenz weichen müssen. Die Backshops haben die Versorgung in der Fläche übernommen, sofern nicht die üblichen Filialunternehmen - Thürmann, Wiener Feinbäckerei, Steinecke, Kamps etc. - das Angebot bestimmen. Wer genau hinschaut, stößt allerdings auch hier auf Gutes und Genießbares, da die großen Ketten dem gewachsenen Gesundheits- und Ernährungsbewußtsein mit Sortimentumstellung und -erweiterung Tribut zollen. Wer noch genauer hinschaut, wird in Neukölln nicht das Teigparadies, aber doch eine ganz stattliche Anzahl guter und sehr unterschiedlicher Bäckereien und Konditoreien finden. So ist Backshop nicht gleich Backshop. Würden Auslagen und Regale nicht eindeutig auf Verbackenes hinweisen, könnte der Shop in der Fuldastraße, Ecke Sonnenallee, auch als Soziotop, als Außenstelle des Berliner Integrationsbeauftragten, durchgehen. Hier trifft sich - auf 20 qm - die BSR-Mannschaft auf ein Kaffeepäuschen ebenso wie die türkisch-arabische Nachbarschaft, gestandene alte Neuköllnerinnen und zugereiste Studenten. Eng, warm, ein ständiges Kommen und Gehen, ein Schwätzchen hier, ein Kommentar dort. Ökologisch korrekt geht’s zu in der Pannierstraße, Ecke Donaustraße. Die Bäckerei 'Mehlwurm', Pionier unter den Ökobetrieben, schiebt alles über den Tresen, was das grün-alternative Hungerherz begehrt. In vielen Fällen war es der Orient, dem wir Kenntnisse und Fortschritt verdanken. Dies gilt auch für die Getreideverarbeitung und die Kunst des Brotbackens. Welche Leistungen die Vorfahren des Herrn Sarrazin in dieser Sache vollbracht haben, ist nicht überliefert. Was an deutschen Familienbetrieben verloren gegangen ist, haben zugewanderte Familien mehr als wett gemacht. Die Bäckerei Umkalthum in der Sonnenallee türmt, neben einem reichhaltigen Fladen-, Brot- und Kuchenangebot, kunstvoll Teig zu Torten in allen Größen und Farben. Das Sahnehäubchen in punkto Geschmack besorgen sich Kuchenliebhaberinnen bei Aviv Koriat in der Pannierstraße. Nichts also gegen Kranzler und Möhring, aber brauchen tun wir’s nicht.

Mittwoch, 18. November 2009


Spiegelbild (10 - 10)

Dienstag, 17. November 2009

Neuvermessung


Mehr und mehr Fotografinnen bekennen sich zur Fotokryptik. Nicht direkt, aber doch ausgesprochen unausgesprochen. So jüngst Bettina Pousttchi. Sie hat, „leicht verrückt“ und nicht am originären Standort, den Palast der Republik wieder auferstehen lassen. Im Ensemble der umliegenden Schwergewichte - Berliner Dom, Alte Nationalgalerie, Zeughaus - wirkt der „neue Palast“ zierlich. Ihm fehlen die Größe und die Spiegelflächen, in denen sich, je nach Standort der Betrachterin und des Betrachters, die umliegenden Gebäude einst brachen und immer neu konfigurierten. Das Reizvolle ihrer Arbeit besteht darin, dass hier Erinnerung, Vorstellung und die „Neuausmessung“ des Geländes einen Anker finden. Imaginieren muß jede und jeder für sich selbst und im begleitenden oder nachfolgenden Gespräch mit Anderen. Ihr „Bekenntnis“ zur Foto-Kryptik formuliert Bettina Pousttchi so:
„Die Fotografie ändert sich derzeit fundamental, denn ihr Referenzsystem ist im Umbruch. Dem fotografischen Bild wohnte immer auch ein Realitätsversprechen inne. Doch im gleichen Maß, wie sich unser Verständnis von Realität heute ändert, verändern sich auch die technischen Möglichkeiten der Fotografie. Weniger denn je scheint sie heute eine Spur des Realen im Sinne Roland Barthes’ zu sein. Meine Fotografie hat als Referenzpunkt mediale Bilder. Bei meiner Installation waren es Archivbilder des Palastes, die mir als Ausgangspunkt dienten. Die Collage bildet aber weder den Palast noch sein mediatisiertes Bild ab, sondern schafft eine eigene Realität.“ *
Lösen wir die lineare Kausalität zwischen Realitätsverständnis und technischen Möglichkeiten auf und verzichten wir auf’s „Gleichmaß“, kommt’s hin. Technik, meist in externen, kunstfremden Zusammenhängen entwickelt, öffnet „Tore“ für eine andere Bearbeitung von Realität. Sie setzt frei, was in Vorstellung und Phantasie bereits Raum hatte und nun - technisch gestützt und mit vielen Anläufen und Experimenten - „ins Leben“ gesetzt werden kann. Ob die Technik dem Realitätsverständnis oder das Realitätsverständnis der Technik folgt, gehört zu den Fragen, die nicht zu beantworten sind. Die Arbeit von Bettina Pousttchi öffnet noch ein anderes Tor. Stadtentwicklung findet hier ein Modell, das Stadtraum „greifbar“ visualisiert, begehbar macht und zur Diskussion und „Abstimmung“ stellt.

* „Spiegelungen einer potenziellen Stadt“; SPEX 11/09, S.91

Montag, 16. November 2009

Marx mal neu


Wirklich gute Ideen sind rar. Da sie gebraucht werden bei der Umgestaltung der Karl-Marx-Straße, ist die Initiative des Kulturamtes Neukölln und des „Neuköllner Kulturvereins“ lobenswert. Die etwas verschwurbelte Sprache sollte niemanden hindern, am 24.11.2009 um 15 Uhr den Weg in’s Rathaus Neukölln, BVV Saal, zur Präsentation des Projektes "Die Straße durch Euch!" zu finden.

„Um die Partizipation junger Menschen in der Neuköllner Spezifik ethnischer Diversität in die Sanierungsplanungen von vornherein zu realisieren, fanden Workshops mit Schülern dreier Schulen statt, die am Anfangs- und Endpunkt der Karl-Marx-Straße angesiedelt sind bzw. dort ihre zuständige U-Bahn-Station finden, die Albert-Schweitzer-, die Albrecht-Dürer- und die St.Marien-Oberschule. Diese Schulen haben an sechs Workshops - in diesem Jahr finanziert durch den Projektfonds Kulturelle Bildung - teilgenommen. Animiert und angeleitet wurden sie jeweils durch Stadtplaner und Künstler in engster Zusammenarbeit mit Lehrern dieser Schulen aus dem Bereich Geografie und/oder Kunst. Am 24.11.2009 stellen die Schüler Ergebnisse - Fotos, Befragungen, einen Film - aus den Workshops vor und berichten von ihren Entdeckungen auf der Karl-Marx-Straße. Selbstverständlich achten sie darauf, ob ihre sehr intensive und sehr ungewöhnliche Arbeit ernst genommen wird - oder ob das Versprechen von Partizipation nur auf dem Papier steht. Es ist ein Experiment für alle Beteiligten, für die Schulen, für die Stadtplanung, für die Künstler. Der Bezirksstadtrat für Bauwesen wird die Präsentation eröffnen.“

Sonntag, 15. November 2009


Spiegelbild (9 - 10)

Schneller als schnell ist gemein. Führt die Hast zu einem guten Ende, sind die Zurückgelassenen - wiewohl gemeine Wesen - keineswegs Verlierer.

Freitag, 13. November 2009


Wo ein Weg raus führt, führt auch ein Weg rein. Trauer tragen müssen wir - so hoffen wir zumindest - nur ganz kurz. Nach 500 Einträgen soll’s nun enden. Aber zugleich - und Neugierde weckend - anders werden, neu entstehen. 500 Einträge, mit denen die Rixdorfer Stadtschreiberinnen den Neuköllner Grund durchgepflügt, über die wesentlichen wie beiläufigen lokalen Geschehnisse berichtet und den „Bürgergarten“ reichlich bestellt haben. Wir sind gespannt!

Mittwoch, 11. November 2009


Spiegelbild (8 - 10)

Dienstag, 10. November 2009


Spiegelbild (7 - 10)

Montag, 9. November 2009


Spiegelbild (6 - 10)

Sonntag, 8. November 2009


Spiegelbild (5 - 10)

Samstag, 7. November 2009


Spiegelbild (4 - 10)

Freitag, 6. November 2009

Nacht & Nebel


In Nacht & Nebel taucht, wer Schlimmes plant. Im Krimi läuft beides zusammen. Das Böse wie die Nacht & der Nebel. In der Kunst sind Nacht & Nebel „die Gefährten“ des Abschieds und Endes, der ruchlosen Tat wie der Liebe, des Morgens und des Neubeginns. Neukölln macht’s anders. Hier lassen Nacht & Nebel Künste aller Art in ganz eigenem Licht erstrahlen. Gut so. Dass dies auch Schattenseiten haben kann, ist an anderem Orte zu bestaunen. In Hamburg lichtet sich der Nebel. Nur dass die Nacht nicht weichen will. Daher haben die Kolleginnen und Kollegen ein Zeichen gesetzt. Gegen den Missbrauch von Kunst und Kreativwirtschaft zur Aufwertung von Quartieren mit nachfolgender Vertreibung alteingesessener Bewohnerinnen und Bewohner.

Donnerstag, 5. November 2009















Spiegelbild (3 - 10)

Mittwoch, 4. November 2009


Die Ziele mögen anspruchsvoll sein. In der Wahl der Mittel sind und bleiben die Neuköllnerinnen und Neuköllner konventionell. Schlimm? Nö.

Dienstag, 3. November 2009


Spiegelbild (2 - 10)

Montag, 2. November 2009


Spiegelbild (1 - 10)

Sonntag, 1. November 2009

Spiegelungen


Wahrnehmung ist ein "vertracktes Ding". Klar, unmittelbar und eindrücklich auf der einen, trügerisch, vielgesichtig und in die Irre führend auf der anderen Seite. Orientierend wirkt beides. Medien bringen zusätzliche "Hebel" in’s Spiel: Verzerrungen, Verschiebungen, Spiegelungen, Vergrößerungen, Verdoppelungen wie Vergröberungen. Als Mediennutzerinnen schauen wir der Wahrnehmung beim Wahrnehmen zu. Als Medienproduzenten schöpfen wir aus Vorgefundenem oder Inszeniertem weitere Wahrnehmungsschleifen. Der Anspruch auf Authentizität, der mit der Fotografie verbunden wird, bleibt davon unberührt. Er gründet in der Haltung, nicht im Objekt. Die Fotokryptik hat ein instrumentelles Verhältnis zur Wahrnehmung. Sie "doppelt" Wirklichkeit, indem sie Auge und "Apparat" trennt. Der sieht, was das Auge nicht sehen kann, selbst wenn beide Zeit und Raum teilen. Darin gleicht die Fotokryptik einem Alltagsphänomen: Spiegelungen. Spiegelungen "rahmen" und begründen Viel- und Mehrschichtigkeit. Sie leben von dem Zugleich von Transparenz und Lichtreflektion. Sie schichten und vervielfachen Gesichter, Gegenstände, Gebäude oder Situationen auf-, über- und nebeneinander. Ein innerer Zusammenhang existiert nur insoweit, als alles Wiedergegebene sich zur selben Zeit am selben Ort befindet. Was die Betrachterin damit macht? Nur das, was sie will.
(Spiegelbild 0 - 10)

Samstag, 31. Oktober 2009

Broodzeit


Wenn sich das Jahr dem Ende zuneigte, hielt in den späten 70’, 80’ und auch noch in den 90’ern Jahr für Jahr Herman Brood im Quasimodo Einkehr und rockte, meist kurz vor Weihnachten, für 5 Tage das Haus. Ein Pflichttermin. Für Neuköllnerinnen und Neuköllner. Mit Wucht, Intensität, Leidenschaft, mit leicht gebrochener Stimme und erstklassiger Band, mal malade, meist gut aufgelegt, gab’s die immer gleiche Botschaft: Leben, leben, leben. Riskant, schnell, atemlos, mit der ihm eigenen Mischung aus Zugewandtheit, körperlicher Präsenz und Verausgabung. Rock’n’Roll pur. Das zehrt. Die Mittel, die man benötigt, um das Leben so zu verdichten, sind nicht nur teuer, sie bringen in Abhängigkeit. Auch damit ging Herman offen um. „Herman ist high“, sang Nina Hagen. Und deutete mit der nachgeschobenen Frage: „Herman, wo bist Du?“ schon an, dass eines Tages das Rückflugticket entfällt. Am 11.07.2001 schließlich hat Hermann Brood, eigen wie immer, das Amsterdamer Hilton-Hotel für einen letzten Auftritt genutzt. Seinen Abflug. Aus dieser Welt. Ohne Federn und Flügel. Dass er auch ein ausgezeichneter Maler war, wissen die wenigsten. Warum mir das einfällt? Die Lücke, die er im Berliner Dezember und Konzertkalender hinterlassen hat, hat bisher niemand geschlossen.

Samstag, 24. Oktober 2009


Still-Leben (10 - 10)

Laut geben


Wahrnehmen ist aktives Tun. Wahrgenommen werden kann aber nur, was auch erkennbar, also zu sehen, zu lesen oder zu hören ist. Die Zeit der Regierungsbildung ist die Stunde der Lobbyisten. Die möchten in ihrem Tun gerne unerkannt bleiben. Geräuschlos soll es zugehen. Das deckt sich mit dem Wunsch der Regierungsparteien, die Regierten darüber im Unklaren zu lassen, wer ihnen beim Formulieren von Programmen und Gesetzen zur Hand geht. Höchste Zeit also, ein bisschen Licht in das Dickicht von Filz, Abhängigkeit, Korruption und illegitimer Interessendurchsetzung zu bringen. Unterschreiben!

Freitag, 23. Oktober 2009


Still-Leben (9 - 10)

Donnerstag, 22. Oktober 2009


Still-Leben (8 - 10)

Neuköllner Einzelhandel


Einst war die Karl-Marx-Straße - mit ihren Seitenstraßen - eine gefragte und vielbesuchte Geschäftsstraße. Wer „gepflegt“ einkaufen gehen wollte, wählte zwischen Kudamm, Schloß- und Karl-Marx-Straße. Hier, das war Berliner Gemeingut, wurde man bestens bedient. Ein Fachgeschäft neben dem anderen. Nichts, was man nicht bekam. Keine Frage, die offen blieb. Keine Ware, die nicht bestellt, geändert oder getauscht werden konnte. Für Reparatur und Erhalt sorgte das örtliche Handwerk. Heute wirken sie - die letzten traditionellen Fachgeschäfte - wie aus der Zeit gefallen. Und sind uns dennoch - oder gerade deshalb - an's Herz gewachsen. Die Fleischerei Kluge in der Fuldastraße feierte gerade den 50. Geburtstag. Wer die Finger von Fleisch, Aufschnitt und Geflügel nicht lassen kann, ist und wird hier bestens bedient. Vegetarier kommen auch nicht zu kurz und greifen zu Biowein, Nudeln und Sauerkraut. Das andere Geschäft, die Blumenhandlung Weyer, sieht bereits auf eine 78jährige Firmengeschichte zurück. Der Laden Sonnenallee, Ecke Jansastraße, eröffnete 1957, zunächst als Obst- und Gemüsehandel. Für welch' Anlaß auch immer, hier wird der richtige Strauß gebunden, die gewünschte Staude besorgt und Balkonien saisonal angemessen bestückt und geschmückt. Wo die Reise im Quartier hingeht, läßt sich momentan schwer sagen. Etwas unentschieden schwankt die Karl-Marx-Straße - wie auch die Sonnenallee - hin und her zwischen Resterampe, orientalischem Basar, postmodern-beliebiger Glasarchitektur mit den immer gleichen Ladenketten, Handy-, Back-, Dönershops und - in den Seitenstraße - Männercafes, aufkommender alternativer Kneipen- und Kleinkunstkultur. Was die Zeit überdauerte und konstant anschwoll, war und ist der Verkehr. Man kann dies als Niedergang, Veränderung oder als „Neuerfindung“ beschreiben. Leben müssen wir's und pflegen sollten wir die alten wie die neuen Händlerinnen und Kaufleute. Was wir uns nicht nehmen lassen sollten ist, anders als uns jüngst Herr Sarrazin wieder anempfahl, türkische und arabische Händler in den Stand der "ehrbaren Bürgerinnen" aufzunehmen. Integration findet auf Augenhöhe statt. Oder gar nicht.

Mittwoch, 21. Oktober 2009


Still-Leben (7 - 10)

Sonntag, 18. Oktober 2009


Still-Leben (6 - 10)

Samstag, 17. Oktober 2009

Spontan


Unwägbarkeiten machen das Leben aus. So auch heute. Der „Kaufmann aus Venedig“ hätte das Programm bestellen müssen. Im Maxim Gorki Theater. Er war - krankheitsbedingt - abgereist. Wohin, weiß niemand. Punktgenau und spontan machte Anja Schneider für Kurzentschlossene und Unwissende einen Einführungskurs in Sachen Herta Müller. Und sie machte es umwerfend gut. Allein, nur dem Publikum und dem Herztier ausgeliefert.

Still-Leben ( 5 - 10)

Consciences and Frontiers


Angenehm bescheiden, was bei der zur Verfügung stehenden Fläche nicht ganz so schwierig ist, kommt sie daher. Die aktuelle Ausstellung - consciences and frontiers - in der Alten Post. So hat jede und jedes seinen Platz. Grenzziehend, aber nicht begrenzend. Was auf dem Bild so dunkel wie bauchig ausschaut, bietet einen faszinierenden Zugang zum Thema. In der „Draufsicht“ wird alles Struktur. Erst beim genauen „Hinschauen“ sieht man: Da lebt (noch) was. Menschen. So schmal wie die Grenze zwischen bloßem „Dasein“ und erfülltem Leben, so fließend sind die Grenzen zwischen Ignoranz, Gewalt und Widerspruch. Die Ausstellung macht dies gleich doppelt zum Thema. Sie bringt „Verhältnisse“ zum Sprechen und reflektiert Sicht und Zugang. Auch aus Elend lässt sich noch ein Funken Ästhetik schlagen. Das ist in der Sache in Ordnung, wenn es der Aufklärung dient. Die Kunst tut dann, was eine ihrer ureigensten Aufgaben ist: Sie tut weh. Neben Arbeiten von Julio Bittencourt sind Soavina Ramaroson, Sofie Arfwidson, Tuca Vieira, Emmanuel Eni und viele andere mit Werkstücken vertreten.

Freitag, 16. Oktober 2009















Still-Leben (4 - 10)