Freitag, 31. Dezember 2010
Donnerstag, 30. Dezember 2010
Mittwoch, 29. Dezember 2010
Dienstag, 28. Dezember 2010
Montag, 27. Dezember 2010
Neuköllner Baum
Sonntag, 26. Dezember 2010
Samstag, 25. Dezember 2010
Zauberhaftes Neukölln
Vom Zaubern ist ja viel die Rede. In letzter Zeit. „Zauberer“, sagt Maxim Leo, „sind die besten Stadtentwickler (…).“ Blasse Jungs und bunte Mädels, mit viel Ideen und wenig Geld, die eine raue Alkoholiker-Meile im Handumdrehen in ein angesagtes Ausgehviertel verwandeln können. Was da entsteht? „Ein Gefühl von Freiheit, von einem anderen Leben, von einer Welt, die wie ein großer Spielplatz ist. Wo Geld keine Rolle spielt und niemand erwachsen werden muß.“ „Zaubern“, sagt Mona Schmidt, gebürtige Neuköllnerin, „ist Arbeit, langes Üben, Zaubern ist Sich-Feinde-Machen, denn man darf ja nicht mal seinem besten Freund erklären, wie es funktioniert. Das verbietet der Kodex der Zauberer (…).“ Zwei Welten, zwei Philosophien, zwei Zeitalter. Das alte und das neue Neukölln. Was den Unterschied ausmacht? Die neuen Zauberer leben und reisen, Rücktrittversicherung eingeschlossen, auf dem Kaskoticket ihrer Eltern. Sie nehmen kreative Auszeiten, sind hochmobil, gebildet, international orientiert. Durchstarten kommt später. Jeder Ort ist ein Ort. Wurzeln schlagen hinderlich. Die alten hingen am Gewerbe und - so es sie noch gibt - halten stand. Lokal verwoben, familienorientiert, mit Kiez und Nachbarschaft auf Du und Du. Sie sind, so unerbittlich kann das Leben sein, erwachsen. Und wissen um die Macht des Geldes. Das Gefühl für Spiel, Freiheit und Glück haben sie nicht verloren. Sie packen’s in kleinen Portionen ab. Sparsamer Umgang für lange Strecken. Lebensklug.
Freitag, 24. Dezember 2010
Sonntag, 19. Dezember 2010
Neuköllner Avatar
Samstag, 18. Dezember 2010
Neuköllner Bloglauf
Manche kommen ein bisschen schwer in Gang und laufen den selbstgestellten Ansprüchen hinterher. Andere ziehen um. Wieder andere schreiben, den Cognac-Schwenker in der einen, die Pfeife in der anderen Hand, mit dem Kopf. Geht dann ja nicht anders. Ohne Hände. Mit Blick auf die wunderbare Welt und ‘NPO-Blogparaden’. Kontext-entschlossen, Richtungs-motiviert und Partizipations-erfahren. Das Erregungslevel immer auf der Zwölf, legen die (Meta)Nachrichten aus Nord-Neukölln den Finger auf die Wunde und sagen, wer die Lunte an’s Faß legt. „Die Mißstände sind Zustände, Kämpfen ist wichtig, Feiern aber auch! Sim-sa-la-bim!“ Das ist die Strecke, die bewältigt werden muß, soll aus Randnotizen Gutes wachsen. Wem das zu anstrengend ist, der lässt sich vom Rixdorfer Kunstnetz einfangen und bekommt es mit Katze Kotzi, Glücksautomaten und Knödel in Sauce-Kissen zu tun. Wer tiefer blickt, gerät in den Strudel von Minze-Sputnik, Vernetzungstanten, fashion-charm-bracelet’s und Souvenirmanufaktur. Schwer wieder rauszukommen. Wer das Gefühl hat, hier immer wieder dasselbe in anderer Verpackung serviert zu bekommen, liegt richtig. Redundanz oder unreiner Loop? Vielfalt aus Einfall? Kreisecho? Keine Ahnung. Auf halber Strecke liegen geblieben ist - mehr Log als Blog - der Wegweiser durch’s Quartier. Muß sich halt lohnen, irgendwann und irgendwie. Sonst geht die Puste aus. Pusten kann auch Brigitte. Ist die echt, die Autorin? Mit "ethnologischem" Blick, einer Mischung aus Neugier und Begierde, gibt’s da Frontberichterstattung. Aus dem Grenzland zwischen Orient und Okzident. Nach Drehbuch, den Mitfünfzigerinnen zugedacht, wird Klischee für Klischee in die Kulisse geschoben. Ein neues Leben. Kein Entrinnen. Shisha-Pfeife, WOW-Schoko, Gewürztrallala und Lovestory. Könnte das nicht reichen? Eins muß noch drauf: Broadway Neukölln! „Warum Broadway? Weil es hier jeden Tag wechselnde Aufführungen gibt, je nach Straßenzug, den man wählt - und das stets live (…).“ Und ich dachte immer, hier leben Menschen ihren Alltag. Immerhin. Das Geständnis folgt stante pede: „Gedanken mache ich mir keine.“ Fassen wir zusammen: Neukölln macht glücklich!
Donnerstag, 16. Dezember 2010
Dienstag, 14. Dezember 2010
Hasenheide
Ich habe mal nachgeschaut. Manches lässt einen ja nicht los. Schrieb Jette doch unlängst von Kindheitstagen. Und Endlosrotation von Schallplatten. Was grub sie aus? Lok 1414 geht auf Reisen. Ich hätte nie geglaubt, dass es auf dieser Welt jemanden gibt, der diese Platte kennt. Wir haben sie so oft gehört, dass man Angst haben musste, mit der schließlich stumpf gespielten Nadel die Rillen auszuschleifen. War aber nicht so, haben gehalten. Rillen wie Platte. Erstaunlich. Kann man nicht von allem sagen, was heute so auf den Markt kommt. Gebraucht haben wir’s, glaube ich, um über das durch und durch Repetitive in der Volksschule, so hieß die damals, hinwegzukommen. Rechnen, Lesen und Schreiben – einschließlich Schönschrift und Sütterlin – zogen die Furchen, die wir mit Ton-, Sing- und Hörspielen füllten. Fernsehen war nicht. Märchenplatten waren unser Tonkino. Und haben sich - Vers für Melodie - eingegraben. So ruft ein Gang in die Hasenheide, warum auch immer, die Erinnerung an „Der Sängerkrieg der Heidehasen“ wach. Gehören irgendwie zusammen, die Heidehasen und die Hasenheide. Dass James Krüss darüber hinaus ein Visionär war und sich früh den Unsitten der Zeitumstellung widmete, machen seine Verse deutlich. Um ’ne Viertelstunde verschätzt. Ansonsten nah dran.
„Als ich heute früh erwachte,
fand ich meine Uhr verstellt,
um fünf ganze Viertelstunden
hatte jemand mich geprellt
denn noch sing ich so ob so,
je di hi, je di ho
holla di hi, holla di ho
holla di hi, ha ho.“
Montag, 13. Dezember 2010
Meistersinger
Wagner ist ein Reizthema. Es gehen immer die Falschen in’s Opernhäusle. Stimmt’s? Wer möchte schon die Garderoben und das inzestuöse Gehabe der Schönen und Reichen, des Polit-, Geld- und Raubadels beim gespreizten Teppichlauf in Bayreuth bestaunen. Das Wagner im österreichischen Postkartenmaler einen großen Fan und Verehrer fand, die Familie Wagner sich diesem in die Arme warf und dem Furor aus Mord und Totschlag freundschaftlich assistierte, erschwert den Zugang. Nun verstarb der alte Wagner, der als bekennender Antisemit bezeichnet werden darf, bereits 1883. Die Gnade, früher gelebt zu haben, hat vermutlich Schlimmeres verhindert. Wer allerdings glaubt, ihm durch Nichtbeachtung entgehen zu können, irrt.
Die Musik ist seit Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute - so insbesondere im Film - voll von Anleihen aus dem Wagner’schen Schaffen. Nichthören geht nicht. Dann doch ruhig mal das Original zu Gemüte führen. Dass das musikalisch spannend sein kann, zeigt die Komische Oper. Mit der einzigen komischen Oper Wagners. Die Meistersinger von Nürnberg. Kein pompöses Gedröhne und tschingterassa-bum-bum, keine Ausstattungsorgie, kein Bühnenalarm oder überzeichnete Figuren. Sparsam im Bühnenbild, das aus einer einzigen Idee - versetzbaren Häusern - ein lebendiges, im Verlauf immer wieder neu arrangiertes, silhuettenartiges Stadtbild für die unterschiedlichsten Szenen zaubert. Das Orchester hervorragend eingestellt, ganz im Dienst von Handlung und Gesang, dabei mit einer glasklaren, in Blech, Holz wie Streichern, weichen und differenzierten Klangführung. Das ab und an aufscheinende Gedräue, Aufwallende und Überbordende zeigt sich in der „wohltemperierten“ Fassung der Komischen Oper als handlungsbezogenes, dramaturgisches Mittel. Keine Überwältigung, kein emotionales Ton-Gel, das Handlung und Bühnengeschehen überbietet. Man mag das Thema bespötteln. So hat die Figur des Hans Sachs für uns heute etwas Unzeitgemäßes, Altbackenes. Die Meistersinger sind nicht mehr als eine historische Reminiszenz, so wie auch die enge Verbindung von Handwerk und (Volks)Kunst mit dem Verschwinden der Zünfte unwiderruflich verloren ging. Das Thema ist dennoch in der einen oder anderen Variante präsent und wird nach wie vor diskutiert. In den 50’ hörten die Meistersinger auf den Namen Elvis, in den 80’ auf NWA. Anders formuliert: Gibt es Regeln, die den Kunstbetrieb limitieren. Die Werk und Aufführung kanonisieren, Tabuzonen errichten, die Kunstausübung beschneiden, bedrängen, in den Dienst nehmen für andere Belange? Wie steht es um die Verbindung von Bevölkerung und Kunst, von Laienwerk und Profession, von Tradition und Neuerung? Die Unterscheidung zwischen U- und E-Musik ist immer noch und ohne Abstriche Grundlage aller öffentlichen Förderprogramme im deutschen Kulturbetrieb.
Das die Liebe einen Weg weist, um Leben und Künsten neue Ufer zu erschließen, ist stehender Teil jedes zweiten Bühnenwerkes, Films oder Romans. Nicht neu, was die Oper da bietet, aber auch nicht abseitig. Da tut sich keine Gruft auf. Verletzungsgefahr ausgeschlossen. Also. Wagner nicht den Knallchargen überlassen. Einfach mal ausprobieren!
Sonntag, 12. Dezember 2010
Kiezlauf
Ein Gang durch’s virtuelle Viertel zeigt, dass in Neukölln nicht alles dort steht, wo es stehen sollte, das nicht alles stimmt, was man so gemeinhin sagt und glaubt, das vieles in Bewegung ist, wo man Stau vermutet. Halt Leben, Kommen und Gehen, und so was. Von so was kommt dann so was: Die Russen kommen. Sind die nicht schon längst da? Wie auch immer. Andere Gäste - Dumpfdölmer - sieht man weniger gern. Stehen selbstverständlich unter nachbarschaftlicher Beobachtung. Hilfe ist immer gut. Kindern und Goldfischen verspricht Neues aus Neukölln, dem „NERV DER ZEIT“ dicht am hohlen Zahn zu bleiben. Dass hier auch neue Erfindungen aus Neukölln - von der Digitalsteckdose bis zum Hundetelefon - feilgeboten werden, spricht für die Vitalität des Neuköllner Gewerbes. Innovativ, aufstrebend, jung und dynamisch. Da ist kein Halten mehr. Selbst der Sonnenallee werden Gesäß und Gesicht geliftet. Wem das zuviel wird, wer’s gern eine Nummer kleiner hat und Armut für eine Zier hält, kauft Großmutters Geschirr zurück. Mit Stil natürlich. Beladen und erschöpft, hält der Bürger Einkehr, denkt über's Stiften nach und liest. Analog. Noch. Kiez und Kneipe hat einen Neuköllner Ableger in den Schankstätten abgeworfen. Nachhause muß man dann noch lange nicht. Heimat ist schließlich da, wo Hafen ist. Amen.
Samstag, 11. Dezember 2010
Kunstschatten
Sonntag, 5. Dezember 2010
Laufbild
Bilder denken nicht. Die Geschichte, die Bilder erzählen, müssen Betrachterinnen und Betrachter zuallererst zusammensetzen. Imaginieren, erinnern, erhellen, phantasieren, deuten. Viel Arbeit. Gegebenenfalls und vermutlich in den häufigsten Fällen, da Autorin und Betrachterin ja nichts miteinander zu tun haben (müssen), auch „gegen“ das Bild. Dann ist man „bei sich“. Das Bild gibt lediglich den Impuls, ist Auslöser. Der Film, anders als das Bild, läuft. Eine Bildfolge erzählt. Wie sprunghaft auch immer. Sie zieht Korsettstangen ein. Wahrnehmbare Veränderungen von Zeit, Raum und Handlung. Im Bild fällt alles „in sich“ zusammen. Radikal. Das Davor, das Danach, Intention und Bedeutung sind als Leerstelle präsent. Eine Aufforderung, die Phantasie laufen zu lassen. Oder, den Blick abzuwenden. Was das mit Fotokryptik zu tun hat? Sie ist Methode, nicht Stil, hatten wir an anderer Stelle formuliert. Nichts anderes versuchen Filmemacherinnen und Filmemacher, die Betrachterinnen und Betrachtern auf die Sprünge helfen, als Koproduzentinnen gewinnen wollen. Wie das geht? Durch Auslassen, Andeuten, Auffüllen. Wer will, kann’s lernen. Zumindest aber verstehen. Reingucken.
Mittwoch, 1. Dezember 2010
Geisterruf
Es sind schon komische Zeiten. Die Geister, die man rief, sehen so aus, wie sie bestellt waren. So reden und verhalten sie sich auch. Da gibt’s nichts zu beanstanden. Reklamationen sind nicht statthaft. Warum also das ganze aufgeregte Geschnatter bis hin zu Gesetzesänderungen? Die Umstellung auf Markt, die Ökonomisierung sozialer Leistungen und Dienste schafft, wie sollte es anders sein, auch den dazugehörigen Sozialunternehmer. Der, da ist Harald Ehlert recht zu geben, muß nicht in Sack und Asche laufen. Vielleicht sind ja Überschüsse der Kick, der gute Ideen auf den Weg bringt. Wer weiß. Zurück zum Markt. Die Arbeitsagenturen und Jobcenter - seit Jahren dabei, flächendeckend den Niedriglohnsektor einzuführen, abzusichern und mit verschiedenen (Zwangs)Maßnahmen zu flankieren - bedienen landauf, landab Beschäftigungsträger, die die Arbeit mit Langzeitarbeitslosen zu einem profitablen Geschäft gemacht haben. Die Altenpflege, ob durch private Unternehmen oder gemeinnützige Gesellschaften betrieben, steht im Ruf, dem Teufel die Seelen zu versprechen, wenn denn die Rendite stimmt. Bei so viel Gebet fehlt bisweilen die Zeit und das Geld für’s fachgerechte Pflegen bzw. die Pflegerinnen. Warum sollte es der Jugendhilfe anders gehen? Geschäft ist Geschäft. Die Kameraden der Unternehmensgesellschaft Kienbaum und Partner, selbst nie in Arbeit und Verantwortung, bestätigen gerne dem jeweiligen Zahlmeister, dass das Ausgeben öffentlicher Mittel standesgemäß ausgefallen ist.
Sonntag, 28. November 2010
Konzentration
Früher oder später packt es jede und jeden. Alexander Kluge empfiehlt, in Pfützen zu gucken. Ehrlich. Er plädiert für die Aufhebung des Prinzips der „Dienstbarkeit“. Die Fotokryptik lässt grüßen! Warum das alles? „Ich empfinde aufgrund der heutigen Bilderfülle einen Hunger nach einfachen, von der Kamera fassbaren Bildern. (…) Die Digitalität erfordert (…), erneut Ars povera zu betreiben, also ein Verfahren, dass es im Prinzip bereits seit 3000 Jahren gibt.“ Tun wir’s und, einer weiteren Anregung folgend, schaffen elementare Bilder, die „auf falschen Prunk zugunsten von Konzentration“ * verzichten.
Samstag, 27. November 2010
John Hiatt, Stevie Winwood, Colosseum
In unprätentiöser Haltung, auf aufgeräumter Bühne, bei sparsamen Licht und transparenten Sound machte Stevie Winwood das, was er am besten kann: Musik. Mit Gleichgestimmten. Mal an der Orgel, mal an der Gitarre, immer bei gutem Gesang. Wie überhaupt die Stimme nach wie vor zum Besten gehört, was man im Rock’ & Soul seit Jahrzehnten hören kann. Zwei Percussionisten gaben auch den alten, rocklastigen Songs einen federnden, mal funky, mal Latin-angehauchten Drive. Das erinnert an gutgelaunte und hochprofessionelle Kammerensembles, die ihren Spaß beim Changieren zwischen Komposition und Improvisation entwickeln. Spielerisch und leichtfüßig. Vielfach ergänzt und getragen von dem wunderbaren Sound von Winwood’s Hammond mit Leslie – Box, die ordentlich wimmert, jault, flächig und flirrend strahlt oder percussiv treibt. Zeitlos.
Mittwoch, 24. November 2010
Neuköllner Empathie
Montag, 22. November 2010
Chorknaben
Auf Keith Richard ist Verlaß. Legendenbildung ist seine Sache nicht. Er sagt, wie es ist. Nicht laut oder leise, brav oder böse, dreckig oder sauber. Nichts davon machte den Unterschied aus. Viel einfacher: „Bei den Beatles konnten alle singen, wir waren eher eine Musikband, wir hatten nur einen Frontmann.“ Hätten alle drauf kommen können. Anders formuliert: Mit den Beatles endet die Tradition des europäischen Kunst- und Volksliedes. Und geht auf im großen Strom dessen, was wir Pop - Populäre Musik - nennen. Gut finden darf man beides. Sowieso. Die Stones wie die Beatles.
Sonntag, 21. November 2010
Freispiel
Berlin liebt seine Paradiesvögel. Ein frisch zugeflogener hat sich dem Berliner Publikum vorgestellt. Technisch perfekt, dabei alle - im Sinne des Wortes - Register ziehend, bearbeitete Cameron Carpenter die Schuke-Orgel in der Philharmonie. Die Wiederentdeckung eines Instrumentes. Rückkehr in die Jetztzeit. Nicht mehr, vor allem nicht weniger, ist das, was da passiert(e). Viele Stücke, ursprünglich für Klavier oder Orchester geschrieben, hat Cameron für die Orgel bearbeitet. Neben den Klassikern stehen auch eher selten gespielte Komponisten wie Nikolai Medtner und Marcel Dupre auf dem Programm. Pop, Jazz und eigene Kompositionen sind ebenfalls selbstverständlicher Teil des Repertoires. Was ihn interessant macht? Er rückt das Orchestrale und den Klangreichtum des Instruments wieder an den Alltag heran, bringt das Stolpern, die Bockigkeit und das Widerstrebende in die Musik zurück. Leben. Unerschöpflich das Reservoir an Klängen, Klangfarben, einzelnen Nuancen, „Soundveränderungen“ bei gehaltenem Ton, das Carpenter dem Instrument entlockt. In Fülle und Tiefe, orchestral wie einstimmig, geben seine Interpretationen selbst totgespielten Werken neuen Glanz. Überwältigend aber seine Fähigkeit, werkdienlich Tempi zu verschleppen und anzuziehen, ungerade Rhythmen mit Füßen und Händen gleichzeitig, versetzt und übereinander geschichtet zu spielen, Stücke in Teilen zu zerlegen und neu zusammenzusetzen. Musik und Mathematik, Zeit und Klang, Fülle und Abstraktion. Dinge, die scheinbar nicht zusammengehören und doch so dicht beieinander liegen und ohne einander nicht’s sind. Das muß man spielen können, ohne das eine oder das andere zu verlieren, zu verdrängen oder vorschnell in Wohlklang aufzulösen. Carpenter gibt das ganze Geheimnis preis! Davon mochte sich dann niemand trennen. Wieder und wieder kehrte er auf die Bühne zurück und spielte Zugabe um Zugabe. Nicht verpassen, wenn’s wieder passiert!
Freitag, 19. November 2010
Bankenleid
Wo der Kredit ist, spielt die Musik. So funktioniert Kapitalismus. Elvis Costello hat’s begriffen: „Ich brauche nicht unbedingt eine Plattenfirma, aber ich brauche jemanden, der mir das Geld vorstreckt, es mir leiht, wenn Sie so wollen. Die Plattenfirma ist wie eine Bank, und das Bild passt auch deshalb so gut, weil die Labels inzwischen multinationale Konzerne sind, bei denen immer weniger Leute arbeiten, die sich für Musik interessieren oder sich mit Musik auskennen.“ Wer nicht glaubt, dass der Kredit das Leben rundet, darf sich schlau lesen. Thomas Strobl erklärt allen Unkundigen wie mir, warum 1 + 1 gleich 5 sind. Kaufen! Natürlich Buch und Platte. Dafür darf man sich auch mal verschulden.
Dienstag, 16. November 2010
Neuköllner Ausstellwerk
Das schaut raus. Aus’m Fenster. Immer wieder. Wenigstens alle 4 Wochen in anderer Autorenschaft, Farbe und Aussage. Mal ordentlich daneben, zeitweilig kleinteilig und farbvergessen, nie botmäßig, mit schlagenden Humor, politisch inkorrekt und mit einer nicht nachlassenden Energie den Pinsel immer dahin führend, wo das Böse keine Farbe kennt. Einzelhandel auf kleinstem Raum, mit einem unverschämt hohen Umsatz an Lesungen und Konzerten und einer mindestens 50% Rendite auf’s eingesetzte Denken, Staunen, Hören und Schauen. Das ist es, was Das Labor, nun bereits im 4ten Jahr, so vielen anderen Kunstläden voraus hat. Einbrechen und mitlachen.
Montag, 15. November 2010
Grüne Exklusion
Schön ist das nicht, wenn eine Partei sich so ganz und gar und ganz unprätentiös kenntlich macht. Übergangslos. So scheint’s. Wo sind sie hin, die guten Gedanken: ein solidarisches Miteinander, Nord und Süd, Ost und West, bei Bewahrung der Lebensgrundlagen, jenseits von Militarisierung und sozialer Ausgrenzung? Schwer zu sagen. Wie’s weiter gehen soll? „…die Spannung aufrecht(..)erhalten“, meint Renate K. Nicht im politischen Streit um unterschiedliche Konzepte in der Wirtschafts-, Sozial-, Bildungs- und Arbeitsmarktpolitik. Ihre mütterliche Fürsorge gilt den Berliner Arbeitslosen. „Ihr müsst euch auch anstrengen“, ruft sie ihnen zu. Ja, da überkommt es einen denn doch. Dass wir darauf nicht gekommen sind!?! Darunter also leidet die Berliner und vermutlich auch die Weltwirtschaft. Und natürlich: Wo Anstrengung fehlt, hilft Spannung. Das macht Sinn. Abhilfe, so lässt sie uns auch noch wissen, schaffen die Berliner Sozialmärkte, „Einsatzort“ vieler auf MAE-Basis beschäftigter Arbeitsloser. „Solche Arbeit lässt den Arbeitslosen ihre Würde und erfüllt die Bedürfnisse vieler Verbraucher.“ Ja, wollte ihnen denn jemand die Würde nehmen? Und wann und warum? Und wer sind die nutznießenden Verbraucher? Auch „Würden“träger? Oder „arme Schlucker“, denen man mit dem Entzug angemessen entlohnter Arbeit das Einkommen soweit geschmälert hat, dass sie auf den Kreislauf von „selbstaufbereiteter“ Zweit- und Drittverwertung alten Hausstandes angewiesen sind? Ist das Häme, Zynismus? Viel schlimmer – so steht zu vermuten. Frau K. meint das ernst. Gesellschaft als „Moralische Anstalt“ und Politik als „Erziehungsversprechen“. Den Damen und Herren in den oberen Etagen muß Angst und Bange werden, bei soviel „Zuspruch“ von grüner Seite.
Sonntag, 14. November 2010
Neuköllner Destille
Der Koexistenz geht langsam die Luft aus. Die Szene rückt nach. Oder vor. Je nach Geschmack. Die Altpächter haben das Handtuch geschmissen, 4 junge Schotten werden demnächst die Destille anwerfen und den Neuköllnerinnen und Neuköllnern im Donau-Eck zeigen, warum Schottland das Zentrum der europäischen Whisky-Industrie ist.
Donnerstag, 7. Oktober 2010
Montag, 4. Oktober 2010
Reimschmiede
Wer hätte das gedacht: Pop, Kitsch, Slapstick, gezielt dosierte Manierismen und Brecht’sche Reimschmiede passen aufs beste zueinander. Das wirkt so rund, so selbstverständlich, die Weill’schen Kompositionen so ausschweifend, lebendig und - nicht zuletzt dank der hervorragenden Textverständlichkeit - berührend intim, dass hier Kopf, Herz und Sinne gleichermaßen „unter Beschuss“ stehen. Eine Inszenierung - bei glänzend aufgelegtem Personal auf der Bühne wie im Orchester - mit Suchtpotential! Nur was für Standfeste. Ausprobieren.